Der Schrecken ist oft groß, wenn der Haftpflichtversicherer nach der Prüfung der Sachlage mitteilt, dass nur 50% des Schadens getragen werden.
Die Folge: Der Halter des prügelnden Pferdes muss den Rest aus eigener Tasche zahlen. Es kann aber noch schlimmer kommen: Wenn in der Tierhalterhaftpflichtversicherung die Weideunfälle ausgeschlossen wurden, muss der Halter alles bezahlen!
Nein, das ist natürlich Quatsch! Die Wahrheit ist:
1.: Es gibt keine Tierhalter-Haftpflichtversicherung, die Weideunfälle aus dem Versicherungsschutz ausschließt. Selbst wenn so etwas in einem Bedingungswerk zu finden wäre, so hielte dies keiner Prüfung nach § 305c BGB Stand.
2.: Nein, man muss die nicht Differenz zahlen, wenn ein Versicherer nur 50% (oder einen anderen, x‑beliebigen %-Satz) des Schadens bezahlt.
Wieso werden denn so oft nur 50% vom Schaden gezahlt?
Inhaltsverzeichnis
Ab hier werde ich erläutern, wie es zu diesem “50:50-Märchen” kommt und wie damit umzugehen ist. Hierzu müssen wir uns zwei Dinge anschauen:
1.: das Wesen der Haftpflichtversicherung im Allgemeinen
Jede Haftpflichtversicherung beinhaltet zwei grundlegende Leistungsmerkmale:
a) die Prüfung der Rechtslage. Es wird geprüft, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Danach wird die Höhe dieses eventuell bestehenden Anspruches geprüft.
b) Nachdem a) abgeschlossen ist, werden berechtigte Ansprüche der Geschädigten bezahlt und die unberechtigten Ansprüche abgewehrt.
Etwas ausführlicher:
Die Prüfung der Sach- und Rechtslage kann zu dem Ergebnis führen, dass ein Geschädigter einen vollumfänglichen, einen teilweisen oder sogar gar keinen Schadensersatzanspruch hat. Der berechtigte Anspruch wird befriedigt — der Rest nicht.
Das ist überhaupt nicht schlimm — das ist nur logisch. Denn: gäbe es keine Haftpflichtversicherung und müssten wir selbst zahlen, so würden wir dem Geschädigten ja auch nur das ersetzen, was ihm zusteht.
Daraus resultiert: eine Haftpflichtversicherung übernimmt grundsätzlich immer 100% dessen, was der Versicherte selbst zahlen müsste.
Als Versicherter kann man sich im Schadenfall also stets entspannt zurück lehnen und einen Tee trinken. Man muss niemals (!) aus eigener Tasche dazu zahlen, wenn der Versicherer die Leistung wie oben beschrieben kürzt. Ansonsten würde ja auch der ganze Sinn und Zweck der Sache ad absurdum geführt.
2.: das Wesen der Haftpflichtversicherer im Speziellen
Kommen wir zur Zahlungsmoral der Versicherer im Schadenfall. Um hier erst gar kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich kritisiere Versicherer gerne und häufig; was aber die Regulierungspraxis angeht, muss nahezu allen Versicherern — entgegen der landläufigen Meinung — ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt werden. Dies ist nicht nur meine persönliche Erfahrung, sondern auch durch entsprechende Untersuchungen und Umfragen unter (unabhängigen) Fachleuten dokumentiert.
Aber es gibt auch ganz klare Schwachpunkte in der Schadenregulierung — und da sind wir bei unseren Koppelunfällen.
Das große “es kommt drauf an…”
Es gibt Fälle, in denen der Geschädigte keinen vollen (oder auch gar keinen) Schadensersatzanspruch hat.
Klassisches Beispiel: zwei Pferde prügeln sich und eines von beiden “verliert”. Da das geschädigte Pferd aktiv mitgewirkt hat, muss sich dessen Halter eine “Mitschuld” anrechnen lassen (“Schuld” im übertragenen Sinne). Hier kann die Anwendung der “50:50-Regel” also korrekt sein.
Problematisch wird es aber schon dann, wenn niemand die Prügelei beobachtet hat.
Zweites klassisches Beispiel: Stehen zwei Pferde alleine auf der Koppel und eines hat plötzlich eine Trittverletzung, dann kommt nur ein Pferd als “Täter” in Frage. Dessen “Schuld” ist also bewiesen. Nicht bewiesen ist aber, dass das getretene Pferd zuvor in irgendeiner Weise den Tritt provoziert haben könnte.
Hier wären demnach 100% des Schadens zu ersetzen; ein Abzug wegen “Mitschuld” wäre unzulässig, da nicht beweisbar.
Die Reihe der Beispiele ließe sich hier nahezu unendlich fortführen. Aber alleine an den zwei Varianten kann man sofort erkennen: Es ist immer eine Einzelfallbetrachtung!
Zwei mal drei macht vier, wide-wide-witt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, wide wide wie sie mir gefällt.…!
Die Versicherer machen es sich an dieser Stelle jedoch gerne einfach und greifen immer wieder völlig hirnlos sinnbefreit in die 08/15-Schublade. Aus dieser Schublade greifen sie sich ein Urteil raus, bei dem 50% Schadensersatz berechtigt waren, beziehen sich darauf und leisten pauschal bei jedem Weideunfall einfach mal so nur 50%.
Die Sache ist somit schnell vom Tisch und wenn man Glück hat, muckt keiner auf (“Es wird wohl schon so stimmen!”) auf und die Sache verläuft schön fein im Sande. Na dolle Wurst.
Ein kleines Fallbeispiel zur Auflockerung
In einem besonders absurden Fall führten zwei Reiterinnen ihre Pferde mit ausreichend Sicherheitsabstand einen sehr schmalen Weg entlang. Das vordere Pferd erschreckte sich vor irgendwas und polterte rückwärts. Die nachfolgende Reiterin konnte nicht ausweichen, es kam zum Zusammenstoß und das vordere Pferd trat dabei noch aus.
Dies ist ein glasklarer Fall: Die Halterin des tretenden Pferdes haftet zu 100%. Weder hat das getretene Pferd in irgendeiner Form Einfluss genommen (es hat noch nicht einmal die Möglichkeit dazu), noch trifft dessen Halterin eine Mitschuld.
Aber…
Der Versicherer der Schädigerin zahlte nur 50% — mit der Begründung, dass das hintere Pferd durch bloße Anwesenheit Einfluss auf die Entstehung des Schadens genommen hätte. Ja klar, und Chuck Norris kann Drehtüren zu knallen…
Nach einer deutlichen Intervention meinerseits (welche tatsächlich aufgrund extremer Verbohrtheit der Sachbearbeiterin mehrere Anläufe brauchte), war die 50:50-Sache kurze Zeit später vom Tisch.
Fazit: Das kann es nicht sein und man sollte so etwas nicht widerspruchslos hinnehmen!
Was kannst Du nun dagegen tun?
Als Versicherter kann man hier recht wenig machen. Man “muss” es ja auch nicht, höchstens aus dem Gefühl moralischer Verpflichtung heraus. Als Geschädigter sollte man aber definitiv dagegen vorgehen. Von einem Alleingang rate ich von vornherein ab — so etwas sollte man immer Profis überlassen, also: ab zum Anwalt und sich Schützenhilfe holen!
Wichtig: Jede “normale” Rechtsschutzversicherung deckt einen solchen Fall ab, es bedarf keines speziellen “Pferde-Rechtsschutzes”, das ist nur ein Marketing-Gag!
Wer es gleich richtig machen will, sucht sich natürlich einen reitenden und auf das Pferderecht spezialisierten Rechtsbeistand, z. B. die Daniela Lemke: zur Anwaltskanzlei
Ebenso zu empfehlen ist ihre Gruppe “Pferderecht” auf Facebook: Pferderecht Dort antworten ausschließlich Profis (z. B. Daniela Lemke oder ich) auf Deine Fragen.
Bild: mit freundlicher Genehmigung von Manuela Feiler. Danke, Manu! :o)
Rosi meint
Was ist, wenn man ein Paddock Unfall hatte, auf dem noch 3 andere Pferde standen. Aber niemand gesehen hat, welches Pferd der Verursacher war und mittlerweile schon ein Teil von der eigenen OP Versicherung übernommen wurde?
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Hallo Marion,
ich bin kein Anwalt und kann die Situation daher nicht bewerten. Ob eine OP-Versicherung im Spiel ist, ändert nichts an der Sachlage. Auch diese kann bei einem Schädiger Regress nehmen.
LG
Dennis
Susanne Weinberg meint
Lieber Dennis, ich habe jetzt noch einmal mit der Uelzener Kontakt aufgenommen, die wollen ein Urteil oder einen Artikel, kann ich mich auf dich berufen oder hast du noch etwas für mich, was ich denen mit in den Widerspruch packen kann ?
Danke Susanne
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Hallo Susanne,
auf mich berufen? Nein, bitte nicht. Ich bin kein Jurist und jeder Fall muss einzeln betrachtet werden. Ich kann mich hier nur ALLGEMEIN äußern und allgemein gültige Ratschläge erteilen, die auf Erfahrungen (und Fachwissen) aus der Praxis beruhen. Einzelfälle müssen aber immer individuell betrachtet werden.
Kurz: hole Dir anwaltliche Hilfe. An dieser Stelle eine Empfehlung: Die Daniela Lemke (Administratorin der Gruppe “Pferderecht” ist auf solche Themen spezialisiert.
LG
Dennis
Nadine meint
Hallo,
gibt es einen Paragraphen §xyz der besagt, dass man als Halter den von der Versicherung nicht bezahlten Teil nicht übernehmen muss?
Vielen Dank
Liebe Grüße Nadine
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Hallo Nadine,
lies meinen Blogbeitrag noch einmal gründlich. Darin nehme ich dazu ganz genau Stellung und erläutere, wie vorzugehen ist!
LG
Dennis