Mal wieder geistert ein Urteil durch die Reiterforen und — gruppen in den sozialen Medien. Diesmal das Urteil des LG Koblenz vom 25.05.2022, Az. 3 O 134/19. Wieder ist die Verunsicherung groß, denn wieder einmal wurde eine Pferdehalterin zu Schadensersatz verurteilt, weil jemand Fremdes von ihrem Pferd fiel. Wozu hat man denn dann eine Haftpflichtversicherung?
Fremde Reiterin stürzt, Halterin wird auf Schadensersatz verklagt
Inhaltsverzeichnis
Und wieder einmal sind sie da: die Hobby-Analysten, Hobby-Versicherungsexperten und Hobby-Advokaten. Und: Je blöder deren Aussagen, umso mehr Likes bekommen sie.
Meine Favoriten (Original-Zitate!):
Vertrag mit dem Fremdreiter abschließen, private Unfallversicherung nachweisen lassen.
Schlaubi-Schlumpfine
Auch schön:
Vertrag mit Klausel “auf eigene Gefahr” unterschreiben lassen.
Noch eine Schlaubi-Schlumpfine
Manch eine® empört sich gar fürchterlich:
Dieses Gesetz ist das allerallerletzte! […] Paragraf 833BGB, welcher Vollidiot diesen erfunden hat, ich weiss es nicht. Wozu gibt es diese drecks (sic!) Haftpflichtversicherungen wenn die sich um Kopf und Kragen reden nur um nicht zahlen zu müssen.
Grummel-Schlumpfine
Das traurige Fazit wird hier gefällt:
Fremdreiterversicherung taugt null…
Gothic-Schlumpfine
Eine andere wird völlig verunsichert:
Man liest in anderen Gruppen z.B. dass eine Reiterunfallversicherung alle Reiter auf dem versicherten Pferd abdeckt. Stimmt das? Wie kann ich mich als Besitzer absichern?
Bibber-Schlumpfine
Was war denn überhaupt passiert?
Dem Urteil liegt — ganz vereinfacht umrissen — folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Reiterin nutzt ein fremdes Pferd. Dieses buckelt und wirft sie ab. Folge: Radiusschaftfraktur und neun Tage Krankenhaus-Aufenthalt. Die Krankenkasse der Reiterin nimmt daraufhin bei der Halterin Regress. Diese meckert aber rum, weil die Reiterin das Pferd — laut ihrer Aussage — nicht hätte reiten dürfen, sondern nur deren Tochter.
Daher wird die Haftung verneint und der Schadensersatz abgelehnt.
Die Sache landet vor Gericht — und die Halterin mit ihrer Meinung auf der Nase. Ende vom Lied: sie wird verurteilt, die rd. 6.000 € zu zahlen.
Hier übrigens der Link zum besagten Artikel:
https://www.pferde.de/magazin/urteil-halterin-haftet-fuer-unfall-einer-anderen-reiterin/
Wozu hat man denn dann eine Versicherung?
Diese Frage ist völlig falsch. Auch die ganze Verunsicherung ist völlig unnötig. Die Rechtsgrundlagen sind uralt (über 100 Jahre) und Urteile wie dieses gibt es zu hunderten. Kurz: hier wird über nichts Neues berichtet! Genau hätte da stehen können, dass es nachts kälter ist als draußen. *möööp*
Es wird — und jetzt kommt der casus knacktus — in den besagten Berichten mit keinem Wort über die Versicherung gesprochen! Es wird weder gesagt, ob eine involviert war, noch wird mit nur einem Sterbenswörtchen gesagt, dass hier ein Versicherer nicht leisten will! Es geht noch weiter: es wird ebenso mit keinem einzigen Wort gesagt, dass die Halterin nun selbst zahlen muss!
Was in WAHRHEIT passierte
Wer sich die Mühe macht und den Urteilstext liest (siehe Link oben), der wird feststellen, wie banal alles ist.
Die Krankenkasse der Reiterin ging gegen die Halterin vor. Diese wandte sich an ihren Haftpflichtversicherer und sagte, dass die Reiterin das Pferd eigentlich gar nicht hätte reiten dürfen, usw., usf.. Darauf hin ging der Versicherer in Verteidigungsstellung, wehrte die Ansprüche der Krankenkasse ab und bestritt die Haftung seiner Versicherten (= die Halterin). Die Krankenkasse erhob ihrerseits nun die Klage. Der Versicherer stellte sich weiterhin schützend vor seine Versicherte — bis vors Gericht. Dort unterlagen die beiden, das Gericht beschloss: Doch, es muss gezahlt werden.
Was passiert jetzt? Richtig: die Zeche zahlt der Versicherer der Halterin! Easy going, völlig normal, völlig banal, kein Grund zur Panik!
Die Frage “Wofür hat man denn dann überhaupt eine Versicherung?” geht also voll an der Sache vorbei! Der Fall zeigt doch in hervorragender Weise, wie super so eine Versicherung funktioniert! Die Halterin konnte sich die ganze Zeit entspannt zurück lehnen, Tee trinken, am Hintern kratzen, usw., usf.. Ihr konnte überhaupt nichts passieren!
Die immer währende Verwechslung von Haftung und Versicherung
Einer der Gründe der seit dem Erscheinen des Artikels herrschenden Massenpanik liegt in der Verwechslung von Haftung und Versicherung.
Eine Haftpflichtversicherung zahlt immer dann, wenn die Ansprüche der Geschädigten berechtigt sind und die versicherte Person haftet. Unberechtigte Ansprüche wehrt sie ab.
Eine Haftpflichtversicherung hat drei Aufgaben:
- Sach- und Rechtslage prüfen
- unberechtigte Forderungen abwehren
- berechtigte Forderungen zahlen.
“Abwehren” darf hier jedoch nicht mit “ablehnen” verwechselt werden!
Merke:
Abwehr = Der Versicherer bietet vollen Versicherungsschutz, prüft die Sach- und Rechtslage, kommt zu dem Entschluss, dass die Forderungen der Gegenseite unberechtigt sind und weist diese zurück. Kurz: Er schützt seinen Versicherten!
Ablehnung = Der Versicherer verweigert den Versicherungsschutz, der Versicherte steht ganz alleine da. Mögliche Gründe: falscher Versicherungsschutz, Nichtzahlung der Beiträge, usw., usf…
Wir halten fest: Die Leistungspflicht eines Haftpflichtversicherers wird überhaupt erst durch eine (ggfs. auch nur unterstellte) Haftung der versicherten Person ausgelöst! Haftet die versicherte Person, leistet der Versicherer. Haftet sie nicht, zahlt er nicht (und wehrt ggfs. ab).
Das böse Spiel mit der Angst
Ein weiterer Grund für die Panik: Im oben erwähnten Artikel wurde nur (!) darüber geschrieben, dass die Halterin verurteilt und ihre “Schuld” festgestellt wurde. Sie haftet also. Mehr steht da nicht. Da steht nichts von “Versicherung zahlt nicht”. Wie Du inzwischen weißt: Das Gegenteil ist die Wahrheit!
Die ganze Panik ist also einer Berichterstattung geschuldet, welche falsche Annahmen provoziert. Es fehlt an inhaltlicher Tiefe. Ich behaupte, das ist gewollt. Eure Panik ist erwünscht, denn dadurch wird diskutiert und der Artikel umso mehr geteilt und verbreitet.
Den Rest besorgen die Dummschwätzer und Schlaubi-Schlümpfe, die zu allem und jedem Thema ihren faden Senf absondern müssen.
Abrechnung mit den Schlaubi-Schlümpfen…
Wenden wir uns zum Ende noch einmal der Spaßfraktion zu. Wobei es nur halb spaßig ist. Denn durch das nun folgende Dummgeschwätze werden Mythen erzeugt und / oder am Leben gehalten. Das Unlustige und auch Traurige daran ist die Verunsicherung, die dadurch erzeugt wird.
Ich zitiere also noch einmal und kommentiere:
Vertrag mit dem Fremdreiter abschließen, private Unfallversicherung nachweisen lassen.
Geee-nau. In dem Vertrag schließen wir mal schön die Haftung aus, nicht wahr? Jaaaa, super Idee. Kann man machen. Untereinander wirkt das ggfs, sofern keine Formfehler vorliegen. Eine Außenwirkung kann man jedoch nicht erzielen.
Auf Deutsch: Dieser Haftungsausschluss bringt nichts und hätte auch im vorliegenden Fall nichts gebracht. Die regressierenden Versicherer nässen sich vor Lachen höchstens ein, denn die Rechtsgrundlagen sind klar:
Für Sozialversicherungsträger gilt § 116 SGB X, für private Krankenversicherer der $ 86 VVG. Bäääm. Am Arsch die Räuber.
Dann dieser unsägliche Unfug mit der Unfallversicherung:
Fremde Versicherungen gehen uns nichts an! Sie ändern auch nichts an der Haftung!
Fazit: Der obige Satz ist an Dummheit kaum zu überbieten. Es ist frei jeglicher Kompetenz.
Vertrag mit Klausel “auf eigene Gefahr” unterschreiben lassen
Siehe oben. Das ist der (armselige) Versuch einer Haftungsbeschränkung. Wirksamkeit: siehe oben.
Dieses Gesetz ist das allerallerletzte! […] Paragraf 833BGB, welcher Vollidiot diesen erfunden hat, ich weiss es nicht.
Jaaa, Schlumpfine, wer hat das bloß erfunden? Ich glaube, es war der Experimentier-Schlumpf. Bin mir aber nicht ganz sicher. Interessant finde ich die infantile Vorstellung, dass da eine (!) Person sitzt und ein Gesetz “erfindet”. Sehr geil.
… und Hilfe für ein paar derer Opfer
Fremdreiterversicherung taugt null…
Auch hier: siehe oben. Dies ist das Resultat der mangelhaften Berichterstattung. Da gibt es Leute, die wirklich glauben, dass die Halterin alleine da stünde und die rd. 6.000 € selbst zahlen müsste.
So etwas ist schade. Unter investigativem und der Aufklärung verpflichtetem Journalismus verstehe ich etwas anderes. Falls Du, liebe zitierte Person, dies hier liest, dann bist Du jetzt ja besser aufgeklärt. :o)
Randnotiz: Es gibt gar keine “Fremdreiterversicherung”. Das ist ein Begriff aus der Marketing-Abteilung.
Man liest in anderen Gruppen z.B. dass eine Reiterunfallversicherung alle Reiter auf dem versicherten Pferd abdeckt. Stimmt das? Wie kann ich mich als Besitzer absichern?
Die Antwort auf dieses “Stimmt das?” ist sehr komplex. Ich versuche es einmal wie folgt zusammenzufassen:
NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN NEIN!
Weder hat eine Unfallversicherung (gleich welcher Art!) Einfluss auf die Haftung irgendeiner Person, noch ist irgendeine der existierenden “Reiter-Unfallversicherungen” auch nur im Ansatz empfehlenswert! Meist handelt es sich um ganz miese Verkaufsmaschen, ein Spiel mit der Angst der potentiellen Kunden — und das ganze OHNE jeden zusätzlichen Nutzen. Ganz im Gegenteil: üblicherweise ist der Krempel weitaus schlechter (!) als eine jede “normale” Unfallversicherung! Ich spreche ja nicht umsonst seit Jahren davon, dass sich diese (bis dato auf dem Markt gängige) Dinger “knapp unter Kundenverarsche” rangieren.
Ergo: FINGER WEG!
Das Wichtigste zum Ende
Wie immer beim Thema “Fremdreiter” und / oder “Reitbeteiligungen” kommt es darauf an, eine Pferdehalterhaftpflicht zu haben, die dieses Thema zu 100% sicher geklärt hat!
Hier geht´s zu meinen Blog-Beiträgen zu diesem Thema:
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