… und es dann so richtig blöd läuft!
Allein schon die Frage “Wo ist Dein Pferd versichert?” beinhaltet einen schwerwiegenden Fehler.
Denn:
In Deutschland gibt es nicht ein einziges Pferd, das haftpflichtversichert ist. Tröstlich an dieser Stelle ist, dass es ebenfalls kein einziges Pferd gibt, dass sich jemals vor Gericht für seine Taten verantworten musste.
Der Einzige, der für das widerrechtliche Verhalten seines Pferdes die Rübe hinhalten / dafür haften muss, ist der Halter. Deshalb heisst die Versicherung dazu auch Tierhalter-Haftpflichtversicherung (im Folgenden “THV” genannt) und eben nicht “Pferdehaftpflichtversicherung” o. ä..
Und da geht das Dilemma auch schon los.
Der Eigentümer ist nicht der Halter!
Meistens sind Eigentümer und Halter eines Pferdes ein und dieselbe Person. Das muss aber nicht so sein, denn die Begriffe “Eigentümer” und “Halter” beschreiben zwei völlig verschiedene Dinge!
Ich zitiere hier die auf das Pferderecht spezialisierte Rechtsanwältin Daniela Lemke:
Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Alles was man in der Gewalt hat, besitzt man, siehe § 854 BGB. Leihe ich mir von jemanden ein Pferd bin ich Besitzer aber kein Eigentümer.
Ein Eigentümer hat das Recht zur umfassenden Sachherrschaft über eine Sache. § 903 BGB definiert das näher. Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten. Ein Eigentümer eines Pferdes muss aber auch nicht zwangsläufig der Halter des Pferdes sein.
Tierhalter kann Besitzer und Eigentümer sein oder nur Besitzer. Ein Tierhalter ist derjenige, dem aus eigenem Interesse auf längere Zeit die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht, der für dessen Kosten aufkommt und der das wirtschaftliche Risiko des Verlustes des Tieres trägt.
Quelle: Frankfurt/Main NJW-RR 09, 895; LG Hanau NJW-RR 03.
Leihe ich mir also ein Pferd und trage dafür sämtliche Kosten und trage das Risiko des Untergangs bin ich Halter auch wenn das Pferd einem anderen im Sinne von Eigentum gehören kann. Die Unterscheidungen sind fließend.
https://rano-hadamar.de/daniela-lemke/
Der Blick ins Kleingedruckte der Versicherer
Im Bedingungswerk einer jeden THV wird glasklar und für jeden verständlich formuliert, was Sache ist. Hier ein beispielhaftes Zitat aus dem Bedingungswerk eines Versicherers:
Versichert ist im Rahmen der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB) und der folgenden Bestimmungen die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Halter der im Versicherungsvertrag bezeichneten Hunde und/oder Pferde.
Die Folge hieraus ist klar: Schließt “irgendjemand” außer dem Halter eine THV ab, dann ist im Schadenfall ganz schnell Achterbahn angesagt. Bei Kleinigkeiten mag es vielleicht nicht auffallen — aber spätestens wenn es so richtig teuer wird, dann stellen die Versicherer Fragen und stellen sich ganz schnell — und völlig zu Recht! — quer.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Der Vater V möchte seiner Tochter T Kosten sparen. Obwohl diese schon nicht mehr zuhause wohnt, unterhält und bezahlt er für sie die KFZ-Versicherung, die Unfallversicherung und auch die Tierhalterversicherung für ihr Pferd P. Was bei den beiden erstgenannten Versicherungen überhaupt kein Problem ist, wird bei der THV zur bitterbösen Falle!
Denn: Versichert ist nun V, obwohl er überhaupt kein Pferd hält! Genau andersherum bei T: sie ist Pferdehalterin, aber nicht versichert!
Entwischt nun Pferd P aus seiner Box und rennt vor ein Auto, wird es richtig übel. Die Schadensersatzansprüche werden nämlich — logischerweise! — gegen Tochter T gestellt. T reicht die Meldung bei dem Versicherer ihrers Vaters V ein. Der Versicherer wird sich nun erst einmal verdutzt die Augen reiben, denn er kennt ja gar keine Frau T! Der Versicherer kennt nur Herrn V!
Die Antwort wird daher lauten: “Lieber Herr V, wir glauben, Sie haben sich da irgendwie geirrt. Sie reichen uns einen Schadenfall ein, in dem eine für uns wildfremde Person in Regress genommen wird. Diese besagte Frau T ist über unseren Vertrag aber gar nicht versichert worden…”
Den Rest kann man sich vorstellen…
Welche perfiden Züge das annehmen kann wenn es so richtig blöd läuft, kann man in folgendem BGH-Urteil aus dem Jahre 2007 nachlesen: BGH, 25.04.2007 — IV ZR 85/05
Achtung: in dem Urteil geht es um einen im Grunde sehr ähnlichen Fall, aber nicht den gleichen wie oben genannt. Gleichwohl zeigt das Urteil auf, was für eine Gefahrenquelle hier lauert!
Was ist zu tun?
1.: Es sollte grundsätzlich immer der wirkliche Halter zugleich der Versicherungsnehmer in der THV sein!
2.: Ausnahme: Mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft (!) lebende Familienangehörige und Lebenspartner sind grundsätzlich mitversichert.
Zitat aus einem Bedingungswerk:
Mitversichert ist die gleichartige gesetzliche Haftpflicht
- der Familienangehörigen des VN;
[…]
Bei allen anderen, also Lebens(abschnitts)gefährten, Kindern, die nicht mehr zuhause wohnen / wirtschaftlich gesehen auf eigenen Beinen stehen, Freunden, die anderen das Pferd finanzieren / zur Verfügung stellen und allen andern: Tut es nicht!
Abhilfe schaffen hier nur zwei (optionale) Dinge:
a) kommuniziert die abweichende Halterschaft mit dem Versicherer! Teilt ihm mit, dass abweichend vom Versicherungsnehmer die Person XYZ Halter(in) des Pferdes ist und das ihr um schriftliche Bestätigung bittet, dass im Falle einer Inanspruchnahme des echten Halters der Versicherer uneingeschränkte Leistung erbringen wird!
b) bei Haltergemeinschaften: Auch hier gilt: klärt das mit dem Versicherer ab! Teilt ihm mit was Sache ist und bittet ebenfalls um schriftliche Zusage einer vollen Deckung, wenn eine von beiden Personen in Anspruch genommen wird. Bildet ggfs. eine GbR (was ihr ja automatisch macht) und unterzeichnet den Antrag auf Versicherung als solche! Als Versicherungsnehmer steht dann z. B. “Lieschen Müller & Susi Sorglos GbR” im Versicherungsschein.
Wenn der Versicherer zu blöd dazu ist: Vertrag sofort kündigen und ggfs. bei einem anderen Versicherer sofort eine Kostendifferenzdeckung beantragen UND dort ebenfalls die Sachlage gemäß obiger Anleitung sowohl vortragen als auch final abklären!
Zum Abschluss:
Du hast keine Lust mehr auf Geplapper, das auf Halbwissen beruht? Du möchtest ZDF (Zahlen, Daten, Fakten), die auf Wissen beruhen und nicht dem Produktverkauf, sondern der gezielten Problemlösung dienen?
Na dann schau doch mal hier vorbei: mein Terminkalender
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Lisa Schmidt meint
Hallo! Wir sind genau wie beschrieben: meine 33 Jahre alte Tochter, unabhängig und 60 km Weg in eigener Wohnung lebend, hat bei sich ihren Hannoveranerwallach stehen, uns zusammen gehört eine Stute, die bei mir lebt. Sie reitet den Wallach überwiegend, ich die Stute, aber wir reiten eben auch regelmäßig das jeweils andere Pferd. Meine Tochter hat zudem eine Reitbeteiligung. Die Versicherung bezahle ich für beide Pferde, das war schon immer so. Aufgrund deiner Ratschläge habe ich natürlich der Versicherung die Konstellation geschildert und gefragt, ob beide Pferde abgedeckt sind, was sie mir schriftlich bestätigt hat. Trotzdem habe ich nach Lesen deines Beitrags kein gutes Gefühl.
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Hallo Lisa,
wenn Dein Versicherungsmensch es nicht schafft, Dir ein gutes Gefühl im Bauch zu verschaffen, dann ist das grundsätzlich kein so gutes Zeichen. Suche Dir vielleicht eine neue Betreuung. Das heißt NICHT, dass Du deswegen irgendwelche Verträge kündigen sollst oder musst. Aber es knirscht halt einfach im Gebälk, wenn Du trotz Nachfragen kein Gefühl der Sicherheit vermittelt bekommst bzw. wenn Du schon selbst beim Versicherer nachfragen musst.
LG
Dennis