Stell Dir vor, es gäbe ein Versicherungsprodukt, dass so gut wie nie leisten müsste. Stell Dir weiter vor, dass es zudem völlig überflüssig wäre, weil die meisten Verbraucher seine dargebotene Leistung sowieso schon anderweitig versichert haben. Stell Dir noch weiter vor, dieses Produkt würde über eine Schiene verkauft, bei der der Verkäufer weiß, dass ihm der Verbraucher schutzlos ausgeliefert und mit einfachsten Argumenten zum (völlig sinnlosen) Abschluss zu bewegen ist.
Sowas kann es doch gar nicht geben, oder… oder etwa doch?
Exakt solch ein Produkt wurde bereits vor langer Zeit kreiert und unglaublich viele von uns haben es eingekauft. Und keiner unternimmt was dagegen. Keiner? Oh doch, ein kleines tapferes Maklerlein aus Haiger zog aus, um.… Okay, genug des Schabernacks. Reden wir lieber Tacheles.
Die Tücken liegen im Detail
Die oben von mir ins Feld geführten harten Behauptungen, namentlich
- der Pferdehalter-Rechtsschutz muss so gut wie nie leisten
- der Pferdehalter-Rechtsschutz muss so gut wie nie leisten
- der Pferdehalter-Rechtsschutz muss so gut wie nie leisten (die Mehrfachnennung erfolgt mit Absicht)
- der Pferdehalter-Rechtsschutz ist in den meisten Fällen überflüssig
- der Anbieter nutzt die Unterlegenheit des Kunden aus und
- die Qualität des Pferdehalter-Rechtsschutz ist brutal unterirdisch
werde ich nun Punkt für Punkt belegen.
Jetzt aber der Reihe nach.
Der Pferdehalter-RS muss so gut wie nie leisten — Part I (Versicherungsbeginn)
Wann beginnt ganz allgemein der Versicherungsschutz aus einem Versicherungsvertrag? Richtig: ab dem im Versicherungsschein genannten Zeitpunkt, also nach Beantragung. Der Versicherer bekräftigt dies auch in seinen Bedingungen, ich zitiere:
Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt, […]
Jetzt brauchen wir etwas Logik. Rufen wir uns hierzu in Erinnerung, wie so etwas in der Praxis — zumindest im Regelfall — abläuft: Susi Arglos zieht aus, um ein Pferd zu kaufen. Sie sieht eine Anzeige, findet das Pferd toll, fährt zum Verkäufer — schwupps, Susi ist schockverliebt, das Pferd wird gekauft. Abends kommt sie mitsamt Pferd im Anhänger auf den Hof, der zuvor klargemacht wurde. Ihr neues Pferd zieht in den Stall ein und Susi ist erst einmal hin und weg. Sektchen hier, Herzchen in den Augen dort — das Übliche halt.
Im besten Fall denkt Susi noch am gleichen Tag an das Thema “Versicherungen”. Dann wird schnell der Versicherungsschutz beantragt. Online. Weil: geht ja schnell. Der Versicherungsmensch (sofern vorhanden), liegt ja eh schon im Bett. Also schnell die Haftpflicht online abgeschlossen, die OP-Versicherung gleich dazu — und, oh! da gibt es ja noch einen Pferdehalter-Rechtsschutz. Sogar mit Kombi-Rabatt! Zack, da wird er schnell mit eingekauft. Klingt ja alles irgendwie ganz gut und ergibt sicher auch Sinn.
Nanu? Der Online-Rechner sagt, der Versicherungsschutz beginnt erst am nächsten Tag? Der noch laufende Tag ist nicht anwählbar? Naja, egal! Hauptsache, es geht so schnell wie möglich! Klick, Klick, fertig.
Jetzt rufen wir uns nur noch schnell in Erinnerung, welche zwei Streitigkeiten in Sachen Pferd mit Abstand (!) am meisten vorkommen. Mitglieder der Gruppe “Pferderecht” auf Facebook werden hier schon grinsen, denn jeden, wirklich jeden Tag gibt es Fragen zu Streitigkeiten aus
- dem Pferdekaufvertrag und
- dem Einstellervertrag.
Genau hier schlägt die Falle zum ersten Mal zu: Der Abschluss dieser Verträge liegt vor Beginn des Pferdehalter-Rechtsschutz. Dafür sorgt spätestens der Rechner, der erst einen Versicherungsbeginn nach 0:00 Uhr des nächsten Tages zulässt. Auf Versicherungsdeutsch nennt man dies die “Vorvertraglichkeit”, heißt: Streitigkeiten aus diesen Verträgen fallen nicht unter den Pferdehalter-RS!
Ja, richtig gelesen: Die zwei größten Quellen für Streitigkeiten rund ums Pferd fallen also nicht unter den Pferdehalter-Rechtsschutz!
Wie, Du bist gar nicht wie Susi Arglos, sondern eher die Sorte Schlaubi-Schlumpfine? Du lächelst gerade siegessicher, weil der Einstellervertrag ja noch gar nicht existiert, weil ja gar nichts unterschrieben wurde?
Die schlechte Nachricht für Dich: Ein Vertrag besteht auch ohne Unterschrift. Er ist nicht an eine Formvorschrift gebunden; er gilt auch mündlich, per Handschlag oder auch durch konkludentes Handeln. Und all diese Verträge sind komplett rechtlich bindend und voll wirksam. Auch in meinem hier dargestellten Fall des Pferdekaufs und “Klarmachen” eines Stellplatzes liegen die Vertragsabschlüsse vor dem Beginn der Rechtsschutzversicherung. Der vermeintlich clevere Winkelzug des “Da ist ja noch gar nichts unterschrieben!” verpufft also wirkungslos.
1:0 für den Pferdehalter-Rechtsschutz.
Ein kurzes Zwischenspiel:
Besonders heimtückisch: die gleiche Problematik hätte Susi Arglos selbst dann, wenn sie das Ganze über ihren Versicherungsmenschen laufen lassen, aber beim gleichen Versicherer landen würde. Dummerweise greifen die allermeisten Makler ausgerechnet zu diesem Anbieter, denn er ist ja ein “Spezial-Versicherer”. Also wird das schon sicher passen — so zumindest die Annahme der Kolleginnen und Kollegen.
Auch die meisten Vertreter verkaufen die Produkte dieses Spezialversicherers — aufgrund Sondervereinbarungen / Kooperationen. Hintergrund: die wenigsten Versicherer bieten “Pferdeversicherungen” an. Selbst eine simple Pferdehalterhaftpflichtversicherung hat längst nicht jeder im Angebot. Daher bieten sich solche Kooperationen unter Versicherern durchaus an und sind auch absolut legitim.
Ich bin dahingehend übrigens leidgeprüft. Schließlich bin ich ja auch in Facebook-Gruppen aktiv, in denen sich fleißig fachlich ausgetauscht und gegenseitig geholfen wird. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht nach “Pferdeversicherungen” gefragt wird. Die Antworten sind fast immer die gleichen; es wird immer und immer wieder der besagte Spezialversicherer genannt. Es ähnelt ein wenig einem Plattenspieler, dessen Nadel hängengeblieben ist: “I´m on the highway to *knack*, I´m on the highway to *knack*, I´m on the highway to *knack*…” (die Älteren unter uns erinnern sich).
Auch hierzu schreibe ich weiter unten noch was.
Der Pferdehalter-RS muss so gut wie nie leisten — Part II (Wartezeiten)
Du bist immer noch die Schlaubi-Schlumpfine und hast ein weiteres Ass im Ärmel? Na, dann lass mal sehen!
Oha, Du Fuchs Du hast den Versicherungsvertrag schon ein paar Tage vorher abgeschlossen? Du hast dann erst das Pferd gekauft und im gewünschten Stall untergebracht?
Cool, das ist dem Grunde nach eine wirklich gute Idee! Aber… aber auch daran hat man beim Pferdehalter-Rechtsschutz gedacht.
Da, schau:
Für die Leistungsarten Ziff. 2.2 bis 2.4 und 2.7 besteht Versicherungsschutz jedoch erst nach Ablauf von drei Monaten nach Versicherungsbeginn (Wartezeit).
Schauen wir noch schnell, was unter Ziffer 2.2 steht:
Der Umfang des Versicherungsschutzes umfasst: […]
2.2 Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen[…].
Ein Kaufvertrag ist ein solches “privatrechtliches Schuldverhältnis”. Du schuldest die Zahlung des Kaufpreises, der Verkäufer die Herausgabe und Übereignung des Kaufobjektes im vereinbartem Zustand. Auch ein Einstellervertrag ist ein solches Schuldverhältnis. Geschuldet werden einerseits die Zahlung der Miete (o. ä.), andererseits z. B. die Verwahrung und Pflege des eingestellten Pferdes.
Kurz: auch hier wurde der Sack schön zugemacht, Schlaubi-Schlumpfine guckt wieder in die Röhre.
2:0 für den Pferdehalter-Rechtsschutz.
Der Pferdehalter-RS muss so gut wie nie leisten — Part III (Subsidiaritäts-Klausel)
Jetzt wird es richtig dreckig. Weißt Du, was eine Subsidiärdeckung ist? Noch nie gehört? Kein Problem, der Anbieter erklärt es selbst. Ich zitiere wieder aus den Bedingungen des Pferdehalter-Rechtsschutz:
Der Versicherer erbringt die […] Leistungen […], sofern keine andere Rechtsschutzversicherung zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet ist (Subsidiärhaftung).
Mit anderen Worten: Besteht ein anderer Rechtsschutzvertrag, muss der Pferdehalter-Rechtsschutz niemals leisten. Wieso das so ist, zeige ich Dir im nächsten Absatz.
Aber vorher halte ich noch schnell fest: Egal ob Susi Arglos oder Schlaubi-Schlumpfine: beide schauen schon wieder voll in die Röhre.
3:0 für den Pferdehalter-Rechtsschutz.
Der Pferdehalter-RS ist in den meisten Fällen überflüssig
Er ist immer dann überflüssig, wenn Du einen stinknormalen Privat-RS hast. Ich zitiere aus dem Bedingungswerk eines solch “stinknormalen” Privat-RS:
Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht
um Ihre rechtlichen Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten wahrzunehmen.
Auf Deutsch: Sowohl ein Pferdekaufvertrag, ein Einstellervertrag, ach, machen wir es kurz: Alles rund ums Pferd ist Deine private Angelegenheit und fällt somit voll und ganz unter den Versicherungsschutz eines stinknormalen Privat-RS!
Das Zwischenfazit lautet: Der Pferdehalter-Rechtsschutz ist dadurch völlig überflüssig! Viele von denen, die sich diesen Schutz einkaufen, haben sowieso einen Privat-RS — es greift also die oben erwähnte Subsidiaritäts-Klausel!
Du kommst Dir langsam so richtig veräppelt vor? Jo, zu Recht. Der liebe Anbieter setzt aber quasi noch einen drauf.
Der Anbieter nutzt die Unterlegenheit der Kunden aus
Wenn das Geschäft zu einem unheimlich großen Teil übers Internet kommt und meist gar keine Beratung stattfindet, dann… ja, dann kommt man als Anbieter vor Lachen kaum noch in den Schlaf.
Vor Rechtsstreitigkeiten haben die meisten Angst. Zwielichte Pferdehändler, die einem kranke oder sedierte Pferde unterjubeln. Stallbetreiber, die einem das Leben zur Hölle machen. Und überhaupt!
Was liegt also näher, als sich diese Ängste zu Nutze zu machen und Produkte anzubieten, die genau hier (scheinbare) Lösungen bieten? Die meisten glauben schließlich, das “Pferderecht” sei etwas “spezielles” und schließen den Pferdehalter-Rechtsschutz also ergänzend zur bestehenden “normalen” Rechtsschutzversicherung ab. Nicht wissend, dass sie gerade Geld für nichts aus dem Fenster werfen! Der Versicherer verkauft also basierend auf Nichtwissen und falschen Annahmen reihenweise ein Produkt, mit dem er Geld einnimmt, aber so gut wie nie zahlen muss!
Ganz nebenbei hat der Deutsche ja auch eine furchtbare Angst vor Unfällen. Das (fast) gleiche Prinzip wird daher auch bei der Reiter-Unfallversicherung angewandt. Vorgaukeln besonderer Eigenschaften, in Wirklichkeit jedoch nur brutal abgespeckte Leistungen anbieten und dann schön online auf Masse verkaufen. Das dann auch noch bei in Relation gesehen sehr hohen Beiträgen, oben drauf auch noch selten leisten müssen — das ist quasi eine Gelddruckmaschine.
Aber das ist ein ganz anderes Thema. Hierzu bloggte ich bereits vor einigen Jahren recht umfassend und watschte dabei die üblichen Reiter-Unfallversicherungen ab. Wenn es Dich interessiert, dann schau hier: Unfallversicherung für Reiter — sinnvoll oder Blödsinn?
Die Qualität des Pferdehalter-RS ist brutal unterirdisch
Ich registrierte erst während des Schreibens dieses Blogbeitrags, dass dieses Unterthema den Umfang zu sprengen droht. Anstatt den Part aber auszulassen, werde ich ihn anhand zweier Beispiele grob anreißen. Ich verzichte hierbei ausnahmsweise auf das Zitieren aus den Bedingungen, da es sich um zwei Punkte handelt, die inhaltlich recht komplex sind. Entsprechend lang wären auch die Zitate aus dem Bedingungswerk.
Punkt 1: Was, wenn der Versicherer die Deckung ablehnt?
Normalerweise gibt es zwei Möglichkeiten, gegen eine Ablehnung eines Rechtsschutzversicherers vorzugehen:
a) das (kompliziertere) Schiedsgutachterverfahren
b) den (in aller Regeln wesentliche einfacher durchzuführenden) Stichentscheid.
Gute Versicherer lassen nicht nur beide Möglichkeiten zu, sie garantieren zudem in ihren Bedingungen, dass sie die Kosten eines solchen Verfahrens tragen. Ohne Wenn und Aber.
Na, möchtest Du raten? Richtig: beim Pferdehalter-Rechtsschutz es gibt nur die Möglichkeit a) und nein, die Kosten werden nur dann getragen, wenn Du Recht bekommst. Wenn nicht, hast Du einige hundert oder gar tausend Euro an der Backe. Na, da bekommst Du doch gleich richtig Lust darauf, Dich mit diesem Versicherer anzulegen, oder?
Punkt 2: Der Strafrechtsschutz
Im Pferdehalter-Rechtsschutz ist auch ein Strafrechtsschutz enthalten. So weit, so gut. Gute Anbieter leisten nicht nur bei sogenannten Vergehen, sondern auch beim Vorwurf von Verbrechen. Letzteres sind Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von min. einem Jahr belegt sind. Gute Anbieter leisten auch dann ohne Wenn und Aber, wenn ein Vergehen angeblich vorsätzlich begangen wurde. Merke: es kommt hier nicht darauf an, dass Du wirklich was verbrochen hast — es geht darum, dass man es Dir vorwerfen könnte!
Beispiele für vorsätzliche Vergehen:
- Eine Miteinstellerin behauptet, Du hättest sie bestohlen.
- Der SB wirft Dir üble Nachrede vor.
- Du verkaufst Deinen Sattel, er kommt trotz versichertem Versand nicht an. Man wirft Dir Betrug vor.
Möchtest Du wieder raten? Ich verrate es: Nein, natürlich bekommst Du hier keinen Versicherungsschutz. Weder für die oben genannten (nur vorsätzlich begehbaren) Vergehen, noch für den Vorwurf von Verbrechen. Auch hierzu gerne ein Beispiel: eine Miteinstellerin behauptet einen sexuellen Übergriff.
Da bekommt man doch richtig Lust, sofort abzuschließen, oder?
Warum sagt mir mein Versicherungsmensch so etwas nicht?
Weil er es doch selbst nicht besser weiß! Er hat damit so selten zu tun, dass er sich weder mit der Materie näher befasst, noch würde es ausreichend lange im Kopf hängen bleiben. Nach wenigen Tagen wäre doch eh wieder alles vergessen. Das würde mir doch genau so gehen.
Dazu beträgt die Courtage aus solch einem Vertrag gerade mal knappe 5 € — ich kann es durchaus verstehen, dass sich andere da nicht sooo tief einlesen.
Jetzt kommt aber ein Nebenkriegsschauplatz ins Spiel: Anstatt hier andere Vermittler mit ins Boot zu holen und mit denen auch noch — uiuiui! — die Courtage teilen zu müssen, macht man es lieber selbst. Ob Du als Laie alleine dran fummelst oder ob es ein Vermittler macht, der mit diesem Thema so gut wie nie in Berührung kommt, ist unterm Strich völlig latte. Dummerweise spielen hier das Ego und / oder sowas wie Futterneid mit rein.
Und dann gibt es natürlich noch die Vermittler, die es besser wissen müssten, weil sie sowas reihenweise machen. Online zum Beispiel. Auch hier bewegt sich die Courtage weiterhin im Bereich popeliger 5 € — aber wenn dieser Schrott tausendfach vertickt wird, macht dieses Kleinvieh halt auch Mist.
Die gleichen Menschen verticken Dir dann auch noch diese Pseudo-Reiterunfallversicherung. Also die ohne jeden echten Mehrwert, dafür aber mit extrem miesem Bedingungswerk (siehe oben verlinkter Blogbeitrag).
Ach, was rege ich mich überhaupt noch auf… *seufz*
Schlusswort
Vielleicht ist es doch gar nicht so dumm, wenn man solche Dinge den Experten überlässt. Zum Beispiel einem, der sich mit seinem Team auf die “Reiter-Dinge” spezialisierte. Und der dann aber noch einen drauf setzt, indem er sich ein breites Netzwerk aus anderen Spezialmaklern aufgebaut hat. Der also alles aus einer Hand bietet — und das trotzdem hochqualitativ! So einer könnte seinen Kunden ja glatt einen brutal guten Rundum-Service bieten! Mann, das wäre doch mal was!
Naja, man wird ja mal träumen dürfen… Aber sag mal, hast Du eigentlich schonmal meine FAQ gelesen? ;o)
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