Diverse Stunts und Showeinlagen mit Pferden gibt es schon lange. Ist ja auch hübsch. Meistens. Aber manchmal ist es auch wie mit Hinstell-Kacke (auch Stehrümchen genannt): kann man machen / hinstellen, sieht vielleicht sogar nett aus, ist aber letztendlich doch nutzlos, kurz: Kacke.
Wenn Mensch und / oder Pferd dabei grundlos gefährdet werden, gilt dies erst recht. Bleibt noch die Frage, wie es denn mit dem Versicherungsschutz aussieht.
Vorab: Aufhänger ist hier, wie Du es schon ahnst, die aktuelle Folge der “Pferdeprofis” auf VOX. Seit deren Ausstrahlung sind die Foren und Gruppen voll von Diskussionen über das dort Gezeigte — und auf TikTok tauchen die ersten Videos von Nachmachern auf.
Aber von vorne
Alles begann mit besagter Folge der Pferdeprofis. Darin geht es um einen Klassiker: Verladeprobleme mit einem cleveren Ponytier, welches seine Besitzerin ordentlich an der Nase herum und sich selbst am Anhänger vorbei manövriert. Also muss ein Profi ran. Die Korrektur beginnt (nein, ich werde hier keine Wertung derselbigen vornehmen) und am Ende läuft alles wie am Schnürchen. Dies wird fleißig demonstriert; auch Frau Besitzerin kann das Ponytier nun 1a in den Anhänger bugsieren.
So weit, so gut. Jetzt kommt der Part, der zwar schick aussieht, aber… joa.
Frau Ponytier wird nun vom Profi auf den Anhänger bugsiert — und zwar während dieser von einem Auto gezogen wird. Kann man machen — vor allem noch krasser: als nächstes erfolgt das Entern des Anhängers, in dem Frau Pony von einem jungen Mädel geritten wird — während sich dieser wieder in Fahrt befindet. Kommentar der Besitzerin: “Krass, ey!”.
Die Schluss-Sequenz wird musikalisch mit “Shoot to thrill” von AC/DC untermalt. Geiles Lied, inkl. dem im Text angesprochenen “thrill”, welcher — wie soll es bei AC/DC auch anders sein — irgendwas mit Matratzensport zu tun hat. Aber ob das hier Gezeigte wirklich “thrillt”?
Die Frage nach dem Sinn
Mir kommt tatsächlich ein Szenario in den Sinn, in welchem sich das Gelernte sinnvoll umsetzen lässt: Du hast Dein Pferd verladen, willst losfahren — und das Auto springt nicht an. Du befindest Dich in der tiefsten Pampa, weit und breit niemand, der Dir helfen könnte. Nun holst Du Dein “krass, ey!”-trainiertes Pferd aus dem Anhänger, dieses schiebt das ganze Gespann an, rennt dann hinterher und läuft auf den Anhänger. Dort bindet es sich dann selbst an, während das A‑Team anrückt. B. A. verfolgt Dich mit einem getunten Traktor, hebt mit dem Frontlader die Klappe an, während Murdock mit einem Hubschrauber über der Szenerie schwebt, den armen Face abseilt, welcher nun den Anhänger verschließt. Hannibal trillert sich währenddessen schon einmal ne fette Zigarre und posaunt am Ende sein obligatorisches “Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!” hinaus.
Ja, so etwas wäre denkbar. Weitere voll realistische Ideen kommen mir jedoch nicht.
Rock and Roll Ain’t Noise Pollution
Um gleich bei AC/DC — und somit einer meiner ewigen Lieblingsbands — zu bleiben: Wie steht es um die “Belästigung”, die uns solche Gebaren zumuten?
Sicher, in der Sendung erfolgt noch der Hinweis “Bitte nicht nachmachen”, gefolgt von “dies sei eine Sache für Profis”. Aber jetzt mal ehrlich: Das heißt doch nichts anderes als “Ey, probiert den geilen Shice mal selbst aus!”. Wenige Stunden später gibt es auch schon erste Videos auf TikTok. Junge Mädels reiten, teils ohne Helm oder sonstige Schutzausrüstung, mit ihren Pferden in die Anhänger hinein. Ja, natürlich — das hätten wir doch auch gemacht. Ist bestimmt eine saucoole Sache und auch wir haben früher Blödsinn gemacht — und sogar überlebt. Aber: Wir haben überlebt. Was aber nicht heißt, dass alle überlebt haben!
Es bleiben somit die Fragen, ob solche Elemente einer Stunt-Show unreflektiert in ein Fernseh-Format gehören und vor allem die Gretchenfrage: wie steht es hier eigentlich um den Versicherungsschutz?
The Razors Edge
Hier bewegen wir uns tatsächlich auf des Messers Schneide.
Zuerst müssen wir aber klären, welche Versicherungen hier überhaupt in Frage kommen. Es gibt schlichtweg nicht “den (einen) Versicherungsschutz” — da muss man schon differenzieren!
Wir hätten hier:
- die Pferdehalterhaftpflicht
- die Betriebshaftpflicht des Trainers
- die Personenversicherungen (Kranken‑, Unfall‑, sowie die Lebens‑, hier: Berufsunfähigkeitsversicherung)
- die Kaskoversicherung von Fahrzeug und Anhänger.
(A) touch too much
Die gute — wenn auch vorerst schwer glaubhafte — Nachricht vorne weg: auch wenn die Aktion ein wenig drüber ist, so ist sie “versicherungstechnisch” gesehen tatsächlich weitestgehend unproblematisch!
Grob fahrlässig? Ja, ganz klar. Wir sind hier sowas von im Bereich der groben Fahrlässigkeit, dass es nur so bimmelt! Genau diese ist aber in ein paar Bereichen mitversichert — und zwar in den meisten der oben genannten:
- Haftpflichtversicherungen: hier ist es überhaupt kein Problem, siehe § 103 VVG
- Unfallversicherung: kein Problem, siehe § 183 VVG
- Krankenversicherung: auch kein Problem, siehe § 201 VVG (privat versichert) oder § 52 SGB V (gesetzlich versichert)
- Lebensversicherung (hier: Berufsunfähigkeit & Co., die ebenfalls nach Art der LV kalkuliert werden): und wieder kein Problem — mit der Besonderheit, dass es hierzu keinen direkten Paragraphen gibt, sondern abgeleitet werden muss: § 161 VVG i. V. m. § 176 VVG sowie § 5 der AVB BU (Musterbedingungen GdV).
Evil walks
…behind you. Jetzt wird die Luft dünn, denn ab hier sind die Versicherer zur Kürzung der Leistung berechtigt:
- die Pferde-OP- und / oder ‑Krankenversicherung
- KFZ-Versicherung (genauer: die Kasko)
Kommt das Pferd bei dieser abenteuerlichen Aktion zu Schaden, können die Versicherer die Leistung nach Grad des Verschuldens kürzen. Auf Deutsch: je blöder die Menschen um das Pferd herum, umso geringer die Leistungen der Versicherer.
Nehmen wir an, da galöppelt die Susi Sorglos mit ihrem Pferdchen in den sich bereits bewegenden Hänger. Es ruckelt, Herr / Frau Pferd beliebt zu erschrecken und steigt. Natürlich nur ein bisschen, denn da kommt ja sofort das Dach des Anhängers. Es scheppert, Herr / Frau Pferd beliebt noch mehr auszurasten und nimmt den Hänger — und sich selbst — auseinander. Das Susi Sorglos dabei auch ein wenig lädiert wird, ist — versicherungstechnisch gesehen — kein Problem, siehe oben.
Aber beim Rest dampft spätestens hier die Kacke.
Get it hot
Jetzt wird es heiß, denn nun betritt der Endgegner den Ring: § 81 VVG.
Hier lautet es sinngemäß: Wenn Du, lieber Versicherungsnehmer, blöde Sachen machst, dann kommen wir Dir noch blöder!
Zitat:
Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
“Zu kürzen” heißt hier: ggfs. bis auf Null. Je blöder die Aktion des Versicherungsnehmers (die zum Schaden führte), desto geringer die Leistung des Versicherers.
Auf obiges Beispiel bezogen:
Der Hänger ist Schrott. Abgesehen davon, dass es für dieses Szenario einer besonderen Klausel bedarf, damit es überhaupt versichert ist (= Einschluss der der Brems‑, Betriebs- und Bruchschäden), wäre der Versicherer hier raus bzw. zu massiven Kürzungen berechtigt.
Der OP- bzw. Krankenversicherer wird sich ebenso querstellen. Denn hier sind wir nicht (!), wie es der Name zuerst vermuten lässt, im Bereich der Kranken‑, sondern in der Sachversicherung unterwegs.
Der § 81 VVG ist also einschlägig und der Versicherer demnach auch hier zur kräftigen Kürzung bis hin zur kompletten Leistungsverweigerung berechtigt! Das wird richtig übel, wenn es zu schweren Verletzungen kommt und die TA-Rechnung besonders hoch ausfällt. Prost Mahlzeit!
Burnin’ Alive
Was ich noch gar nicht ansprach: dass der in der Sendung gezeigte Profi keine Handschuhe trägt.
Mehr noch: er wickelt sich sogar noch den Strick immer wieder um seine Hand. Gut, kann man machen. Mir selbst ist das völlig latte, was er während seiner Arbeitszeit treibt, aber in solch einem Format sollte man sich seiner Vorbildfunktion bewusst sein und dementsprechend handeln. Ja, das klingt nun spießig, aber ich will ja aufklären.
Also, ihr lieben Susi Sorglos-Verschnitte da draußen auf TikTok & Co.:
Wenn ihr diesen Käse nachmachen wollt, so wisst ihr jetzt, dass ihr weitestgehend Versicherungsschutz genießt. Nur beim geschrotteten Hänger und / oder Pferd wird´s halt eng.
Ich rate Euch trotzdem: furzt lieber ins Lagerfeuer oder greift ins Klo. Das sind auch nette Hobbies mit beachtlichem Unterhaltungswert (vor allem per Video auf TikTok), aber mit sehr geringem Verletzungsrisiko. Bei letzterem ist es sogar besonders cool, wenn ihr dabei keine Handschuhe tragt.
Aber bei der Arbeit mit dem Pferd tragt bitte Handschuhe. Es kann sonst ganz uncool “hot” werden!
In diesem Sinne: Goodbye & Good Riddance to Bad Luck
Danke an die Macher des hier behandelten Fernsehbeitrags, dass ihr am Ende AC/DC eingespielt habt! Ihr habt mir dadurch nicht nur Ideen für die Überschriften geliefert, sondern auch für eine passende musikalische Untermalung inkl. emotionaler Traumreisen in die früheren Zeiten gesorgt. :o)
Foto: Rose will von all dem nichts wissen. Sie muss aber auch nicht auf (sich in Bewegung befindende) Hänger* rennen.
* = Extra für die Schlaubi-Schlümpfe, die noch klugscheisserischerererer unterwegs sind als ich selbst: laut Duden ist auch die Bezeichnung “Hänger” für einen Anhänger zulässig und somit korrekt. Ätschibätsch.
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