Oh, ihr Facebook-Gruppen. Quell der Weisheit, Erquickung des Geistes, eine Freude für Liebhaber der Lyrik, Hort des Friedens und.… ach was soll´s. Sagen wir die Wahrheit: ein Ort des Grauens. Tagtäglich begegnet uns der gequirlte Bullshit gleich eimerweise.
Der Alltag in Pferde-Gruppen: “Ich habe mir vor drei Tagen für 500 € einen top gezogenen 37-jährigen Wallach gekauft. Er galoppiert aber links nicht an und rechts geht er durch, außerdem frisst er nicht und fügt sich nicht in die Herde ein, sondern verkloppt alle. Er steigt auch an der Hand und die Papiere hat mir der Händler auch nicht gegeben. Die bekomme ich erst, wenn ich die letzte der 50-€-Raten bezahlt habe. Ist das überhaupt rechtens? Und was soll ich mit dem Pferd denn noch alles machen? Leben die sich nicht innerhalb von sechs Stunden ein?”
Du glaubst, so etwas gäbe es nur in unserer Reiter-Welt? Dann glaubst Du richtig. Denn in meinem Parallel-Universum, dem der Versicherungs-Fachgruppen, da herrscht Ordnung. Fragen werden in einwandfreiem Deutsch formuliert und es wird stets auf fachlich allerhöchstem Niveau geantwortet. Zu diesem Schluss könnte man zumindest dann kommen, wenn man sich nur im Vollsuff in solche Gruppen begeben würde.
Dummerweise bin ich tagsüber — wenn ich nicht gerade in Wacken oder auf Konzerten weile um SLAAAYYYEEER!-brüllend den Göttern des Metals zu huldigen — nüchtern. Das heißt, so mancher Bullshit hämmert ungefiltert auf mich ein. Was in Pferde-Gruppen noch irgendwie witzig sein kann, ist in der anderen Welt irgendwie.… ernüchternd. Was da manchmal vom Stapel gelassen wird.… sagen wir es so: der schlechte Ruf der Branche findet in so manchem Beitrag diverser Kollegen eine seiner vielen Begründungen.
Ist ja schon gut, ich komme zum Punkt.
Oh mein Gott — sie haben Kenny getötet!
Ja, Kenny ist tot. Zumindest des Nachbars Kaninchenbabys sind es. Ob die jetzt alle Kenny hießen — keine Ahnung. Fakt ist: sie sind tot. Sie wurden Opfer einer bösartigen Katze, welche die Kaninchenbabys im Rahmen einer schwarzen Messe (oder so) dahin meuchelte. Der Halter der nun ein wenig bedröppelt drein schauenden Kaninchenbabys fordert Schadensersatz vom Halter der Katze. Der Halter der Katze ist bei einem Kollegen versichert. Privathaftpflicht halt.
An dieser Stelle ein kurzer Exkurs:
Zahme Haustiere sind generell über die Privathaftpflichtversicherung abgesichert. Also Goldfische, Wellensittiche, Hamster und Killer-Katzen. Vogelspinnen gehen auch noch — je nach Versicherer. Nur bei Hund, Pferd & Co. muss die Tierhalter-Haftpflicht herbei.
Die Haftungsgrundlage ist die gleiche wie bei Hund & Pferd: Gefährdungshaftung. Also so ganz ohne Verschulden. Pferd niest, Oma erschrickt und fällt von der Leiter = der Halter ist dran. Katze niest, Oma erschrickt — same procedure. Ganz einfache Kiste. Sollte man zumindest meinen!
Der Dialog des Grauens — Bullshit-Alarm!
Der Makler-Kollege, über den der Halter unserer mordlustigen Katze versichert war, ist sich der Sache nicht so ganz sicher. Also fragt er in einer Facebook-Gruppe einfach mal die anderen, ähm.… *hust* … Experten?
Es beginnt harmlos:
Haftpflicht/Haftung:
Ich stehe gerade etwas auf dem schlauch: Katze von Besitzer A ist Freigänger und tötet Kaninchenbabys im „Gehege“ vom Nachbarn B. — Gehege ist oben geöffnet. Ist Besitzer A in dem Fall zum Schadensersatz verpflichtet? (Sachschaden)
Nun, die Frage ist ja völlig legitim. Nicht jeder kann alles wissen. An dieser Stelle kommt es nun drauf an, ob man dem Fragestellenden helfen kann, oder ob man selbst keinen Plan hat und besser einfach die Schnauze hält. Kandidat Nr. 1 gehört in Kategorie zwei, reißt aber dennoch den Hafen auf.
Kollege Nr. 1:
PHV Gefährdungshaftung? Eher nicht! Wenn Verschuldungshaftung.
Natürliches Verhalten der Katze. Kaninchenbesitzer trägt wohl selber Mitschuld.
Im Rahmen der friedlichen Nachbarschaft ist unter Umständen eine Entschädigung möglich.
Sind das Edelkaninchen? Wie teuer kann das schon sein?
Wie der Kollege richtig feststellt, handelt es sich um “natürliches Verhalten der Katze”. Tiertypisches Verhalten ist aber der Auslöser Nr. 1 für eine Haftung des Tierhalters: Gefährdungshaftung. Die Verschuldenshaftung spielt in diesem Fall dagegen überhaupt keine Rolle. Die Mitschuld des Geschädigten könnte aber in der Tat geprüft werden — siehe “Gehege ist oben geöffnet”. Ändert aber nichts an der Sache — der Kollege redet völligen Mist.
Aber hier kommt auch schon Kollege Nr. 2:
Für Tiere gilt grds erstmal Gefährdungshaftung nach 833.
Erstmal muss also für Schäden grade gestanden werden.
Exkulpieren kann sich, wer nachweist, dass das Verhalten des Tieres nicht kontrollierbar war
und der Halter alles in seiner Macht Stehende getan hat, um den Schaden abzuwenden, und
dieser aus unvorhersehbaren Gründen dennoch eingetreten ist.
Jaa-haaaa — alles richtig. Dummerweise gilt das nur für gewerbliche Tierhalter.
Kollege Nr. 3:
Er liebt Katzen. Er hält also folgendes Plädoyer:
Das kann keine Katze gewesen sein. 🙁 Katzen sind friedlich und lieben den Kompromiss.
Gibt es Beweise?
Okay — um das zu verstehen, müsste man den Kollegen kennen. Er mag Katzen wirklich sehr gerne und kennt deren Naturell; sein Beitrag ist also ironischer Natur. :o)
Und hier Kollege Nr. 4 — mit Anlauf ins fachliche Nirvana:
Gefährdungshaftung gilt nicht bei Katzen. Hier nur Verschuldenshaftung des Halters.
Katzen sind in der PHV automatisch mit drin. Im Gegensatz zu Hunden…
Ja klar. Verschuldenshaftung. Wie denn? Indem ich wie die Katzen-Frau bei den Simpsons die Kaninchen mit Katzen bewerfe? Himmel…
Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Hier kommt Kollege Nr. 5 herbei galoppiert:
Genau, PHV soll regulieren und wird abwehren
Okay, den fachlichen Bullshit erkennt man als Laie nicht sofort. Zur Erläuterung: “Regulieren” = “Schaden bezahlen”. “Abwehren” = “Zahlung begründet verweigern”. Der Kollege meint also: Erst einmal zahlen und sich dann weigern zu zahlen. Ei jo, wenn´s mehr nicht ist…
Kollege Nr. 6 hämmert sich bereits den Schädel auf den Tisch und kommentiert:
Jetzt mal ganz ehrlich: Ihr wollt uns verarschen, oder?
Das ist ein Scherz, was ihr hier schreibt — und wir fallen drauf rein… Korrekt?
Okay, ich geb´s zu: das war ich.
Kollege Nr. 7 haut aber dann mal so richtig auf die Kacke.
Und das gleich mehrfach. Er schreibt:
Da das eine das andere bedingt, ist die Sache klar.
Erst wenn ein Verschulden feststeht, kann eine Haftung und somit Deckung des Schadens erfolgen.
Menschen, die so eine Scheiße schreiben, dürfen wirklich draußen in der Welt zum Thema Versicherungen beraten. Der Fehler: Eine Haftpflichtversicherung prüft immer den Sachverhalt. Der Versicherungsfall tritt grundsätzlich dann ein, wenn der Kunde mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wird. Ist die Forderung unbegründet, wird sie abgewehrt. Ist sie begründet, wird reguliert. Es muss keiner vorher feststellen, ob ein Verschulden vorliegt!
Aber er begründet das ja noch weiter:
Und die Frage war, ob der Halter bereits durch die Haltung in der Deckung steht (Gefährdungshaftung)
oder erst mit einem eigenen Verschulden (Verschuldenshaftung).
Steht die Antwort hierauf fest, kann überhaupt erst geprüft werden,
ob die PHV dem Grunde nach leistungspflichtig wäre.
Ne, Du Blitzbirne. Genau den Kram prüft eine Haftpflichtversicherung für den Kunden! Das ist eine vertragliche Verpflichtung! Aber er hat ja noch das Fazit im Ärmel und schüttelt dieses auch gleich raus:
Kein Verschulden, keine Deckung. Und gut ist.
Genau.
Ich hau mir dann mal weiter den Kopp auf die Tischplatte.
Der Lichtblick…
… kommt in Form des
Kollegen Nr. 8:
Mit Verlaub, selten so einen Blödsinn gelesen. 833 nicht verstanden, PHV nicht verstanden.
Danke, Herr Kollege.
Fazit
Etwas nicht zu wissen, ist nicht schlimm. Etwas nicht wissen, trotzdem das Maul aufreißen und Blödsinn labern, das ist schlimm. Wohlgemerkt: das, was die Jungs da in eine Facebook-Gruppe flatulenzen, lassen sie auch beim Kunden raus. Also bei Dir. Die Folge wäre hier ein ggfs. nie gemeldeter und somit nie regulierter Schaden und der bei Dir entstehende Eindruck “wofür habe ich denn meine PHV, die leistet ja eh nie!”. Deshalb ist so etwas mehr als ärgerlich.
Ich will mich nicht als besser darstellen. Denn ich bin mindestens so blöd wie die oben zitierten Kollegen. Mein einziger Vorteil: Ich weiß, wann ich die Klappe zu halten habe und lieber andere (spezialisierte) Kollegen zu Rate ziehe. Das erspart allen anderen nämlich so einen Blödsinn. Pardon — Bullshit.
[kkstarratings]
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