Wenn Du diesen Beitrag hier liest, wirst Du im Vorfeld bereits meine vorangegangene Bewertung der Agria Pferdehalterhaftpflichtversicherung gelesen haben. Wenn nicht, dann lies diese Bewertung zuerst. Link: https://vierpfotenmakler.de/agria
Andersherum ergibt es wenig Sinn. Du würdest nicht verstehen, worum es hier geht.
Vorwort
Mein vernichtendes Urteil zur Pferdehalterhaftpflicht der Agria basiert 1:1 auf deren Bedingungswerk. Ich habe es mir Wort für Wort vorgenommen, daraus zitiert und alles — wie es sich für eine ordentliche Berichterstattung gehört — mit Nachweisen belegt. Mein Bericht schlug gewaltige Wellen — und die Agria verfasste eine Stellungnahme. Darin kommt es knüppeldick, denn:
- sie offenbart und belegt darin mit eigenen Worten, dass ihre Leistungen stellenweise noch niedriger sind als ich erkannte; vor lauter Entsetzen sind mir bei meiner ersten Bewertung glatt ein paar Details nicht aufgefallen…
- sie behauptet trotz glasklarer Faktenlage, ich würde “falsche Behauptungen” aufstellen — und:
- tritt in keinem einzigen Punkt den Gegenbeweis an.
Lass mich bildlich erklären, was hier passierte: Die Agria hat ein Pferd mit drei Beinen im Angebot. Jeder sieht: das Pferd hat ganz offen erkennbar nur drei Beine. Ich erstelle eine Analyse und sage: Ich rate vom Kauf ab, denn das Pferd hat nur drei Beine! Dann kommt die Agria und sagt: Der Vierpfotenmakler stellt falsche Behauptungen auf! Es mag so aussehen, als habe das Pferd nur drei Beine, es hat aber vier! Und zwar deshalb, weil wir das jetzt einfach mal so sagen! Möööp!
Dann stampft sie sinnbildlich gesehen mit dem Fuß auf und schmollt.
Sie liefert keinen Gegenbeweis, nichts von fachlicher Substanz — dafür aber einen Knüppel nach dem anderen. Nach der Stellungnahme muss man der Agria in Sachen Pferdehalterhaftpflicht leider jegliche fachliche Kompetenz absprechen und die Warnung vor deren Produkt aufs Schärfste wiederholen.
Unsere Grundlagen — die Beweisstücke
Ich zitiere im Folgenden die komplette Stellungnahme der Agria häppchenweise und kommentiere wie schon im vorangegangenen Blogbeitrag jeden einzelnen Abschnitt. Ich versuche es so verständlich wie nur eben möglich zu machen. Durch die oben geschilderte Ausgangslage und der von der Agria verwendeten “Versicherungssprache” wird das echt schwierig. Aber ich versuche mein Bestes zu geben, um Dir mit möglichst klaren Worten zu zeigen und zu beweisen (!), dass ich nichts als die Wahrheit schreibe.
Vorab noch der Link zur Stellungnahme der Agria, damit Du auch siehst, dass ich hier nicht schummle: https://www.agriatierversicherung.de/presse/stellungnahme-haftpflichtversicherung
Für den Fall, dass die Stellungnahme nach dem Verfassen dieses Beitrags seitens der Agria geändert wird, hier das Ganze noch einmal als pdf-Datei, Stand 23.03.2024:
Vierpfotenmakler? Falsche Behauptungen!
Liebe Pferdefreund:innen, uns erreichen derzeit viele Nachrichten zu dem Artikel von Dennis Keller („der Vierpfotenmakler“) auf dem Online-Blog https://vierpfotenmakler.de mit dem Titel „Der große Verrat der FN?“ sowie der Berichterstattung darüber. Viele Mitglieder der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Pferdebesitzer:innen und Pferdeinteressierte sind aufgrund der falschen Behauptungen, die unseren Versicherungsschutz betreffen, verständlicherweise verunsichert.
Das ist starker Tobak. Siehe oben: Meine “falschen Behauptungen” sind eine 1:1‑Auslegung dessen, was im Bedingungswerk der Agria steht. So etwas nennt man “Fakten”. Knallharte, beweisbare Fakten.
Leider wurde uns von Herrn Keller vorab keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, sodass wir die von Herrn Keller geäußerten Bedenken nicht von vornherein ausräumen konnten. Dies wollen wir nun mit dieser Stellungnahme nachholen.
Warum sollte ich jemandem der “Stellung bezieht”, noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme geben? Das Bedingungswerk der Agria ist doch per se eine Stellungnahme! Sie beziehen damit Stellung und sagen “Das ist unser Angebot!”. Demnach bedarf es doch keiner weiteren Gelegenheit zur Stellungnahme?!
Das Bedingungswerk ist schließlich auch der Dreh- und Angelpunkt Nr. 1! Die Bedingungen sind das, was im Schadenfall zählt — im Zweifelsfall auch vor Gericht, wenn Du auf Leistung klagen müsstest. Mehr “Stellungnahme” geht doch gar nicht!
Niemand hat vor, den GdV-Mindeststandard zu unterschreiten!
Lassen Sie uns eines bereits vorab deutlich sagen:
Unser Versicherungsschutz unterschreitet die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherer („GdV“) in keinem Punkt. Unsere Versicherten profitieren sogar von einem Versicherungsschutz, der über das branchenübliche Maß hinausgeht. Versprochen.
Hier geben sie schon einmal zu, sich zu “versprechen”. Oder habe ich das etwa falsch interpretiert? Aber genug des Scherzes. Dafür ist die Sache leider viel zu ernst. Hier geht es schließlich um Haftungsrisiken. Also um Deine finanzielle Existenz.
Wir verstehen, dass manche Formulierungen in unseren Allgemeinen Versicherungsbedingungen („AVB“) mitunter zu Missverständnissen geführt haben. An diesen Stellen werden wir die Formulierung so anpassen, dass keine Zweifel mehr an der Reichweite unseres Versicherungsschutzes bestehen. Unsere bisherigen Versicherten genießen aber natürlich auch bereits jetzt den umfassenden Schutz der Agria Pferdeversicherung, der die Musterbedingungen des GdV übertrifft.
Wir halten noch einmal fest: Es wird noch einmal steif und fest behauptet, dass die Musterbedingungen des GdV nicht unterschritten, sondern übertroffen werden. In meinem ersten Beitrag erläuterte ich bereits, was das ist: eine Art Mindeststandard hinsichtlich der Qualität der Bedingungen. Sie sind eine Art Leitfaden; es gibt keine Pflicht, sich daran zu halten.
Sämtliche mir bekannten Versicherer — außer die Agria — garantieren jedoch in ihren Bedingungen, dass dieser Standard eingehalten und nicht unterschritten wird. Sollte dieser Mindeststandard versehentlich in irgendeinem Punkt der Bedingungen unterschritten werden, so würde dieser Fehler durch die ausgesprochene Garantie eliminiert und alles wäre schick.
Diesen Passus findet man jedoch nirgendwo in den Bedingungen der Agria. Hier haben wir auch schon einen ersten Knackpunkt: Was nicht in den Bedingungen steht, ist nicht vereinbart. Es gibt bei der Agria de facto also keine solche Garantie! Auch diese Stellungnahme hier ändert nichts daran!
Denn:
- wir haben hier kein offizielles Schreiben der Agria vorliegen — diese Stellungnahme ist und wird kein Bestandteil der Bedingungen
- nicht nur haben wir kein offizielles Schreiben der Agria, nein, es fehlt auch die ppa.-Unterschrift, die dem Ganzen überhaupt erst Gewicht verleihen würde.
Dass der besagte Mindeststandard an mehreren Stellen hart unterschritten wird, habe ich ja bereits im vorangegangenen Blogbeitrag detailliert dargelegt. Wie das “Übertreffen” dieses Standards in den Augen der Agria aussieht, siehst Du weiter unten auch noch.
Die Agria geht ihrerseits nun endlich auf einzelne Punkte ein und beginnen mit einem Klassiker.
Der Klassiker: die “mitversicherte” Reitbeteiligung
Reitbeteiligung
Eine Reitbeteiligung im Sinne unserer AVB ist umfassend geschützt. Wir versichern nicht nur die Reitbeteiligung selbst, sondern – über die Musterbedingungen des GdV hinausgehend, welche nur den Tierhüter erfassen – auch die Sach- und Personenschäden an der Reitbeteiligung.
Richtig, in den Musterbedingungen wird immer nur vom (nicht gewerblichen) Tierhüter gesprochen. Aber… aber… eine Reitbeteiligung ist doch ein Tierhüter! Siehe § 834 BGB!
Fakt ist schon an dieser Stelle: Die Agria weiß nicht einmal, dass der Begriff “Tierhüter” hier ein übergeordneter Begriff ist!
Von den Schäden an der Reitbeteiligung finden wir jedoch kein einziges Wort in den Bedingungen der Agria. Sie behaupten es in ihrer Werbung, sie behaupten es in der Stellungnahme — aber in den Bedingungen steht davon.… nichts! Im Gegenteil: da steht unter Punkt E.7, Unterpunkt 6, ausdrücklich, dass Schäden an Tierhütern ausgeschlossen sind! Siehe hierzu meinen vorangegangenen Blogbeitrag — da kläre ich auch diesen Punkt inkl. Nachweis auf!
Selbst wenn die Agria damit einen gewerblichen Hüter, also einen Stallbetreiber, meinen sollte — dann stellt sich die Frage: Was zum Henker soll das? Warum wird sowas explizit ausgeschlossen? Und warum weiß die Agria nicht, dass eine RB ein Tierhüter ist? Hat man sich in Schweden nicht mit den deutschen Rechtsgrundlagen befasst?
Apropos: Damit es nicht wieder heißt, ich würde lügen: Hier auch noch das komplette Bedingungswerk der Agria, Stand 02/2024. Ich habe es auf den Teil der Haftpflicht gekürzt.
Nicht mitversichert: Indirekte Schadenskosten und Vermögensschäden
Unsere Versicherungsdeckung bezieht sich dabei nicht nur auf die unmittelbaren Sach- und Personenschäden sondern auch auf mittelbare Schadensfolgen wie Vermögensfolgeschäden – etwa Unterhaltszahlungen oder Lohnausgleichszahlungen.
Ausgeschlossen werden durch die Formulierung, die wir zur Klarstellung anpassen werden, nur sog. „reine Vermögensschäden“. Reine Vermögensschäden sind traditionell im Grundversicherungsschutz der Haftpflichtversicherung nicht enthalten.
Hier hat die Agria Recht: reine Vermögensschäden sind im “Grundversicherungsschutz”, also dem Mindest-Mindest-Mindest-Standard gemäß GdV-Musterbedingungen, nicht enthalten. Aber diesen Mindest-Mindest-Mindest-Standard an Qualität will man laut obiger Aussage doch “übertreffen”?!
Dies ist übrigens der Punkt, der mir zuvor gar nicht aufgefallen ist: Sämtliche (!) mir bekannten Versicherer bieten in ihren Haftpflichtversicherungen Schutz für Personen‑, Sach- und (reine) Vermögensschäden. Die Agria jedoch nicht! Sie bestätigen es hier auch noch einmal klipp und klar. Es fehlt bei der Agria also ein ganz elementarer Teil moderner Haftpflichtversicherungen!
Dann noch das Thema Unterhaltszahlungen und Lohnausgleichszahlungen: Hier wird behauptet, diese seien mitversichert. Die Wahrheit steht in ihren Bedingungen. Siehe Punkt E.7, Unterpunkt 2: da werden, Zitat: “…beispielweise Ausfall von Einkommen, Rente, Gehalt…”, Zitat Ende, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen!
Himmel, wie kann man denn da einfach das Gegenteil behaupten?
Der ganz dicke Klops: ungewöhnliche Zäumungen und untypische Verwendung
Ungewöhnliche Zäumung / Untypische Verwendung
Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „ungewöhnlich“ oder „untypisch“ ist nicht nur branchenüblich, sondern erforderlich um einen möglichst weiten Versicherungsschutz zu gewähren. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes für untypische Verwendung ist dabei ebenfalls keine Abweichung der GDV-Musterbedingungen.
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Diese Aussage ist dermaßen absurd, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll.
Aber ich muss ja was sagen… ich beziehe mich aber nur den zweiten Satz. Denn es fällt mir an dieser Stelle schon schwer genug, eine Beweisführung anzutreten, die einerseits dem fachlichen Anspruch genügt, gleichzeitig aber für Dich verständlich bleibt…
Also: In den Musterbedingungen des GdV gibt es keinerlei Einschränkungen hinsichtlich irgendwelcher “untypischer” Zäumungen. Es gibt auch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Nutzung des Pferdes, geschweige denn eine Definition, was denn nun eine “typische” und was eine “untypische” Verwendung eines Pferdes ist.
Wenn die Agria dies aber doch macht, dann ist das eine Schlechterstellung - und somit eine negative Abweichung zu den Musterbedingungen. Wie kann man sich da hinstellen und das Gegenteil behaupten?
Mir ist kein einziger anderer Versicherer bekannt, der an diesem Punkt eine derart lebensfremde sowie unklare Formulierung verwendet!
Zur Erinnerung, worum es hier geht: Richtest Du einen Schaden an, während Dein Pferd mit einer “ungewöhnlichen” Zäumung o. ä. ausgestattet ist, dann leistet die Agria nur bis zu 75.000 €!
Wenn das keine Unterschreitung des GdV-Mindeststandards ist, was denn bitte sonst?
Der / die / das verständige Pferdehalter:innen
Was als gewöhnliche Zäumung oder typische Verwendung gilt, wird natürlich nicht willkürlich durch uns und die anderen Versicherer bestimmt. Diese Begriffe werden vielmehr anhand der anerkannten Praxis und aus Sicht der verständigen Pferdehalter:innen bestimmt und unterliegen zudem letztendlich der Überprüfung durch die Gerichte.
Das hier schlägt dem Fass den Boden aus. Die Agria sagt hier: Wir schreiben Hokuspokus in die Bedingungen. Wenn Du, lieber Kunde, Geld von uns sehen willst, muss ggfs. ein Gericht entscheiden, ob es was gibt! Was ist denn bitte die “anerkannte Praxis”, von der die Agria spricht? Was ist denn bitte ein verständiger Pferdehalter:innen? Gibt es da eine Norm oder gar eine höchstrichterlich festgelegte Definition?
Machen wir es kurz:
Was möchtest Du als Kunde? Sicherheit! Klarheit! Ruhig schlafen können!
Was willst Du nicht? Geschwurbel in den Bedingungen! Ungewissheit! Deinen Versicherer vor Gericht zerren müssen, während Dir die Geschädigten die Hölle heiß machen und Dich in die Insolvenz treiben!
Galopp auf der Autobahn…
An den von Herrn Keller angeführten Beispielen dürfte dies deutlich werden:
Auch wenn (häufiges) Galoppieren auf Asphalt schädlich für das Pferd sein kann und daher nicht zu empfehlen ist, zählt das natürlich noch als typische Verwendung. Befindet sich der Asphalt auf einer Autobahn, ist das dagegen keine typische Verwendung. Ein Foto-Shooting in der Natur unter Beachtung der Zäumung stellt natürlich ebenfalls keine untypische Verwendung dar.
Diese Stelle ist irgendwie niedlich. Meine rhetorische (!) und leicht ironische Frage, ob das Galoppieren auf Asphalt noch als typische Verwendung zählen würde, wird hier für bare Münze genommen und zitiert. Das Galoppieren auf der Autobahn ist dagegen eine schöne Übertreibung aus der Feder der Agria — das hätte aber glatt von mir sein können. Ach ja: Galoppieren auf der Autobahn: nicht versichert. Steht ja da oben. Und Foto-Shootings bitte nur unter “Beachtung der Zäumung”, sonst: nicht versichert! Versteht sich ja fast schon von selbst, oder?
Nur fürs Protokoll: Diese Aussagen / Forderungen sind.… richtig: eine Unterschreitung des GdV-Mindeststandards. Die Musterbedingungen kennen solch ein Geschwurbel nämlich nicht.
Soziales Engagement? Nicht mit der Agria!
Und der nächste Klopper kommt sofort. Er ist so krass, dass ich es komplett in knallrot schreiben muss:
Die Nutzung eines Pferdes in so artuntypischer Weise wie etwa als Filmstatist ist dagegen keine typische Verwendung. Da ein Pferd nur in einzelnen Ausnahmefällen in so artuntypische Umgebungen wie Kindergärten, Schulen, Altenheime oder auch Therapieeinrichtungen und Hospize verbracht wird, ist das keine typische Verwendung.
Das hier muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Das ist Wahnsinn! Einfach nur Wahnsinn!
Na, immer noch Bock auf St. Martin beim Kindergarten? Was bitte macht unsere Nachbarin, die regelmäßig mit Frau Pony in Kindergärten und Schulen auftaucht und die Kiddies glücklich macht? Altenheime besuchen? Todkranke Menschen in Hospizen glücklich machen? Nicht mit der Agria! Hier steht es schwarz auf weiß!
Bitte erinnere Dich: Wir sind hier bei einer Stellungnahme der Agria zu meiner Kritik. Sie bestätigen hier nicht nur, dass sie Wahnsinn in den Bedingungen stehen haben, sie bekräftigen es noch einmal und liefern auch noch Fallbeispiele! Ich kann gar keine Worte dafür finden, was hier abgeht!
Liebe FN, seid ihr noch da? Seht ihr das hier?
Ach ja, fast vergessen: GdV-Mindeststandard? Der sitzt inzwischen unterm Tisch und weint!
Tatort? Tatort!
Trivia: Meine Frau Sonja ritt vor vielen Jahren durch die norddeutsche Pampa. Plötzlich stolpert sie mitten in eine Film-Aufnahme eines urdeutschen Klassikers: dem Tatort! Sie wird von jemandem vom Filmset angesprochen, ob sie doch bitte für eine Szene im Hintergrund vorbei reiten könne. Klar, macht sie. Natürlich sitzt der erste Dreh nicht, es muss wiederholt werden. Mehrmals. Und Sonja muss immer wieder aufs Neue im Hintergrund vorbei reiten. Sie war also eine Filmstatistin. Zum Glück gab es damals noch keine Agria Pferdehalterhaftpflicht auf deutschem Boden! Denn gemäß obiger Aussage wäre sie dabei… na was wohl? Richtig: nicht versichert gewesen!
Der Kundendienst
Sollte bei der ein oder anderen Verwendungsweise einmal Unsicherheit bestehen, steht unser Kundendienst natürlich auch gern zur Verfügung, um Sie über die Reichweite des Versicherungsschutzes zu informieren.
Klar. Am besten telefonisch. Nicht nachweisbar. Am Ende erinnert sich keiner oder will sich keiner erinnern. Ach komm, was rege ich mich noch auf…
Jetzt einmal zur Rechtskunde. Auch hier beweist die Agria Sinn für… äh… Humor?
Gesamtschuldnerische Haftung? Versteht nicht jeder!
Gesamtschuldnerische Haftung
Die Klausel E.6 C unserer AVB zur gesamtschuldnerischen Haftung stellt lediglich die Wiedergabe der geltenden Rechtslage dar. Gesetzlich zeichnet sich die gesamtschuldnerische Haftung dadurch aus, dass die Schädiger unter sich nur anteilig auf ihren Verursachungsteil haften. Allein dieser Umstand wird durch die Klausel zum Ausdruck gebracht.
Junge, Junge. Dafür würde jeder Prof einen Jura-Studenten im Erstsemester durchs geschlossene Fenster kicken. Was eine gesamtschuldnerische Haftung ist, setze ich hier als bekannt voraus, denn Du hast ja meinen vorangegangene Blogbeitrag zur Agria gelesen. Darin erläutere ich sie stark vereinfacht.
Zur Sache: Die Rechtslage muss — wie immer — mit entsprechender Weitsicht betrachtet werden. Richtig ist, dass bei gesamtschuldnerischer Haftung jeder Schädiger nur für seinen Anteil haftet. So steht es im § 426 BGB. Es reicht aber nicht, immer nur einen Paragraphen zu betrachten!
Damit kommen wir zu § 421 BGB. Der wiederum besagt, dass ein Gläubiger / ein Geschädigter sich nach freiem Belieben jeden der Schuldner / Schädiger einzeln packen und rupfen kann. Diese Regelung ergibt auch Sinn, denn sie soll den Gläubiger / den Geschädigten schützen. Dieser kann sich so z. B. die vermögendste Person unter den Schuldnern / Schädigern schnappen, sich dort sein komplettes Geld / den kompletten Schadensersatz holen und die Schuldner / Schädiger müssen dann zusehen dass sie sich untereinander einigen. Opferschutz halt.
Was bedeutet das alles für Dich?
Angenommen, Du wärst bei der Agria versichert. Es kommt zu einer gesamtschuldnerischen Haftung und der Gläubiger / Geschädigte rupft und schüttelt ausgerechnet Dich. Das macht er, bis Du quiekst. Unterstellen wir, es geht um 100.000 € Schaden und es gibt fünf Schädiger. Dann beträgt Dein Anteil 20%, also 20.000 € (Anm.: liebe Juristen, bitte nicht schimpfen — ich vereinfache hier bewusst!). Der Gläubiger / der Geschädigte kann aber die vollen 100.000 € von Dir fordern!
Was macht die Agria in diesem Fall? Hier in der Stellungnahme wird es noch einmal bekräftigt: Du würdest in meinem vereinfachten Beispiel nur die 20.000 € bekommen! Und woher nimmst Du die restlichen 80.000 €?
Weitere Beweisführung
Bevor es wieder heißt, es wäre alles ganz anders, gehe ich noch einmal auf den indirekt von der Agria ins Feld geführten § 426 BGB ein. Schau Dir mal Absatz 1, Satz 2 an. Dort steht, Zitat: “Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.”. Das heißt für Dich: Versucht der Gläubiger / der Geschädigte einen der anderen Schuldner zu rupfen und stellt fest “Mmh, der ist ja pleite, bevor ich genug Geld aus ihm herausschütteln konnte!” — dann kann er sich immer noch an Dich wenden. Es gilt das Gleiche wie oben: Nach 20.000 € wäre seitens der Agria Schluss. Na dann: toi, toi, toi!
Natürlich deckt unser Versicherungsschutz den gesamten Schaden des Versicherungsnehmers ab, den er zu verantworten hat. Wir unterstützen außerdem bei der Abwehr von unberechtigten Ansprüchen gegen unsere Versicherungsnehmer.
Ja, laut Rechtsverständnis der Agria sind das eben jene 20.000 €. Oder ist das auch wieder nur ein Missverständnis / eine Verwechslung?
Apropos Verwechslung — da war doch noch was!
Der Zahlendreher
Sublimits
Die Sublimits zu Versicherungsfällen bezüglich Ställen, Reithallen und Weiden sowie Räumen in Klausel E. 4 unserer AVB stellen in ihrer derzeitigen Form keine Unterschreitung der GDV-Musterbedingungen dar.
Mann, Mann, Mann — da habe ich aber jemanden mit den GdV-Musterbedingungen verdammt hart getriggert. Aber hey: Ein Punkt für die Agria, denn das hier stimmt sogar! Applaus!
Allerdings sind hier tatsächlich versehentlich die Beträge vertauscht: Richtig ist, dass wir Schäden an Ställen, Reithallen und Weiden bis zu 300.000 EUR pro Versicherungsfall und bis zu 600.000 EUR pro Versicherungsjahr versichern. Sachen in Räumen versichern wir bis zu 10.000 EUR pro Versicherungsfall und 20.000 EUR pro Jahr. Die jeweiligen Summen wurden hier schlicht vertauscht und werden natürlich angepasst.
Ganz ehrlich? Hierüber kann ich wohlwollend schmunzeln. Sowas kann echt mal passieren. Ja, in Versicherungsbedingungen steht manchmal ganz schöner Käse. Da vertippt man sich, ein Komma sitzt falsch und verleiht einem Satz eine völlig andere Bedeutung, oder oder oder. Das kommt echt vor und die Agria ist nicht der erste Versicherer, dem sowas passiert. Schön, dass ich die Agria hier wach rütteln und zu einer Korrektur veranlassen konnte — und: Schwamm drüber. Sowas passiert. Das meine ich wirklich ernst und frei jeglicher Ironie.
Es bleibt dennoch ein Problem: das Schäden an Gebäuden (in unserem Fall ist das stets das Stallgebäude & Co.) nur bis 300.000 € gedeckt sind. In meinem vorangegangen Blogbeitrag lieferte ich per Link ein schönes Beispiel, wie schnell man mal eben ein komplettes Stallgebäude auf dem Gewissen haben und sich brutalsten Schadensersatzforderungen ausgesetzt sehen kann. Was sind denn heutzutage 300.000 € für ein Gebäude? Damit kann man nicht einmal ein EFH bauen!
Die Verdoppelung auf 600.000 € ist dabei nur schmückendes Beiwerk von kaum Relevanz. Er besagt nichts anderes als dass die Agria Dir solch einen Schaden auch zweimal pro Jahr zahlen würde. Gut, jeder von uns kennt einen der einen kennt der schon mal versehentlich zwei Stallgebäude in einem Jahr abfackelte…
Wir hoffen mit dieser Stellungnahme zeigen zu können, dass die geschürten Bedenken unbegründet sind. Trotzdem möchten wir uns entschuldigen, falls die Berichterstattung über uns bei Ihnen Unsicherheit hervorgerufen hat.
Euer f*cking Ernst? “Unbegründet”? Nein, nicht meine Berichterstattung schürt Bedenken, liebe Agria! Es ist Euer Bedingungswerk, in dem all diese Dinge klipp und klar stehen!
Witzig: Die Sache mit dem anno dazumal
Als ältester Tierversicherer Europas liegt es uns seit über 130 Jahren am Herzen, Sie bestmöglich abzusichern. Das werden wir auch weiterhin tun.
Ähäm… Ich möchte jetzt echt nicht kleinlich sein, aber… Man gestatte mir hier eine klitzekleine Korrektur. Sicher ist es bloß der Aufmerksamkeit der Agria entgangen, dass es hier in Deutschland einen Versicherer namens “Uelzener” gibt.
Diese “Uelzener” — man mag es kaum glauben — versichert traditionell und seit Anbeginn ihrer Existenz vornehmlich… ähm… Tiere. Sie ist also ein Tierversicherer. Gut, diese “Uelzener” ist voll die kleine Bretterbude, die kennt echt keine Sau. Du hast sicher auch noch nie was von dieser “Uelzener” gehört, oder?
Wenn man also als großer Versicherer einen neuen Markt (hier: Deutschland) erobern möchte, dann analysiert man diesen Markt ja auch erst einmal. Bei sowas kann man auch schon mal solche kleinen, völlig unbedeutenden Versicherer wie diese “Uelzener” übersehen.
Diese klitzekleine, völlig unbekannte Uelzener gibt es übrigens seit 1873. Die Agria seit 1890.
Aber: kann ja mal passieren, ne?
Eigentlich fängt es ja damit an…
Ihre Agria Tierschutzversicherung
…dass am Ende das “ppa.” fehlt. Es gab mal eine Fernseh-Sendung: Nonstop Nonsens. Irgendwie keimen in mir Erinnerungen daran auf.
Über das branchenübliche Maß hinausgehend
Die Agria behauptet, überdurchschnittlich guten Schutz zu bieten. Zu finden ist davon jedoch… nichts. Sie machen Werbung damit, dass Fohlen aus der Mutterstute bis zu 12 Monate beitragsfrei mitversichert seien. Das ist nicht ungewöhnlich — das ist maximal Durchschnitt.
Es findet sich in deren Bedingungswerk nicht ein einziger Punkt, der über das branchenübliche Maß hinaus geht. Mit viel Wohlwollen könnte man die maximal mögliche Versicherungssumme von 50 Mio. € erwähnen — aber auch dies wird heute von einigen Versicherern geboten.
Es bleiben nur die massiven Lücken.
Zusammenfassung
Die Agria hat in ihrer Stellungnahme:
- fälschlicherweise behauptet, “über das branchenübliche Maß hinaus gehende” Leistungen zu bieten (es gibt keine solche Leistung; auch Fohlen 12 Monate beitragsfrei mitzuversichern sind kein Highlight!)
- damit bewiesen, den Markt nicht zu kennen
- bewiesen, dass sie nicht wissen, dass eine Reitbeteiligung ein Tierhüter ist
- fälschlicherweise behauptet, das Mindest-Niveau der GdV-Musterbedingungen nicht zu unterschreiten (was alleine schon wegen der Regelungen zur “untypischen Zäumung” falsch ist)
- bewiesen, dass sie von der deutschen Rechtsprechung nur mangelhafte Kenntnis und deshalb massive Deckungslücken hat (siehe gesamtschuldnerische Haftung)
- soziales Engagement als “untypische Nutzung” ansieht und vom Versicherungsschutz ausschließt (siehe Besuche von Kindergärten, Altenheimen und / oder Hospizen!)
- wirklich nichts verstanden hat (“…Wir hoffen mit dieser Stellungnahme zeigen zu können, dass die geschürten Bedenken unbegründet sind…”)
- bei ihrer Marktanalyse den Vorreiter in Sachen Tierversicherungen, die 17 Jahre ältere Uelzener, einfach mal “übersieht” und sich selbst als den ältesten Tierversicherer Europas bezeichnet.
Fazit
Kann man machen. Man kann damit sogar zu einem der Sponsoren der FN werden… Zu allem anderen bilde Dir bitte Deine eigene Meinung.
Als alter Headbanger kann ich behaupten: beim Lesen des Bedingungswerks und insbesondere der Stellungnahme der Agria habe ich meinen Kopf mehr geschüttelt als ich es jemals auf einem Metal-Konzert tat.
.
Nils Koch meint
Chapeau…ich ziehe meinen Zylinder vor dieser fachlichen Leistung.
Dennis — DAS ist ein Meisterwerk. Wie sehr kann sich ein Versicherer denn bitte selbst demontieren?
Ich bin absolut sprachlos (und es ist erst Dienstag!).
Viele Grüße aus der Heide :- )
Nils
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Danke für die Blumen! :o)
Unbekannt meint
Respekt lieber Kollege für diesen Text!
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Ach, mache ich doch mit links. Heimspiel. :o)
Martina Schünemann meint
Danke für Deine Stellungnahme! Sehr interessant, gut verständlich und auch noch unterhaltsam geschrieben. Mach bitte weiter so!
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Immer wieder gerne! :o)
Andre Borchers meint
Moin Herr Keller,
vielen Dank für ihre umfangreichen Ausführungen.
Ein Punkt der mich überrascht hat: Man habe die Vorwürfe extern prüfen lassen und teile nicht den Standpunkt des „Vierpfotenmaklers“, insbesondere zur Absicherung der Reitbeteiligung, berichtet Peter Bornschein, Hauptbevollmächtigter des schwedischen Spezialversicherers, gegenüber dem VersicherungsJournal.
Wieso haben die das EXTERN prüfen lassen.
Haben die intern niemanden der weiß was in deren Bedingungen steht?
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Hallo Herr Kollege,
keine Ahnung. Das Agieren der Agria wirft bei mir in so vielen Punkten Fragen auf, dass ich schon gar nicht mehr weiß, was ich davon halten soll. Ich dachte zeitweise sogar an einen großen Aprilscherz…
Letzten Endes zählen vor Gericht immer nur die AVB. In denen steht klipp und klar. Schäden an Tierhütern sind ausgeschlossen, Punkt, Ende, Aus. Da gibt es nichts zu prüfen (weder intern noch extern — was auch immer das in diesem Fall heißen soll); die Aussage ist absolut glasklar — und maximal kundenunfreundlich, um es milde zu sagen.
Inzwischen herrscht seitens der Agria das große Schweigen. Die wollen die Sache eiskalt aussitzen, ebenso offenbar die FN. Unfassbar.
Kollegialer Gruß
Dennis