Du hast den FN-Berittführer gemacht? Jetzt kannst Du nie wieder in Ruhe ausreiten — Haftungsfalle!
Mir wurde in der Vergangenheit mehrfach berichtet: in diversen Lehrgängen zum FN-Berittführer wird gelehrt, dass Berittführer automatisch für Unfälle haften, die während eines Ausritts passieren. Alle Ausritte. Immer. Der Berittführer ist laut Lehre diverser FN-Dozenten quasi immer am Arsch in der Haftungsfalle.
Das Fazit vorweg: Das ist natürlich völliger Käse. Da hat wahrscheinlich mal wieder jemand was gelesen und dann gemeint, dass man aus einen Einzelfall ein allgemeingültige Formel bilden kann.
Also muss ich mal wieder mittels Blogbeitrag mit einem Mythos aufräumen und Sicherheit durch Wissen schaffen.
Haftungsregelungen nach §§ 823 und 833 Satz 1 des BGB
Bevor wir in die Details gehen, ein kurzer Blick auf die rechtlichen Grundlagen der Haftung nach den Paragraphen §§ 823 und 833 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
§ 833 Satz 1 BGB: Der allgemeinbekannte, böse Paragraph: Wir privaten Pferdehalter haften grundsätzlich für alles, was unsere Pferde anrichten (die sog. “Gefährdungshaftung”).
§ 823 BGB: Mehr noch: Nicht nur für unsere Pferde, sondern auch für unser eigenes, schuldhaftes Handeln müssen wir die Rübe hinhalten. Schuldhaftes Handeln beginnt in seiner leichtesten Form mit der Fahrlässigkeit. Fahrlässig = ein Versehen. Klassiker: das umgestoßene Rotweinglas.
Fun fact: Lies mal beide Paragraphen. Steht da irgendwas davon, dass die Bildung, Ausbildung, Weiterbildung, Kenntnisstand, Expertise, usw., usf. etwas mit der Haftung zu hat? Nein? Ach, sieh an…
Behalte diese Info mal im Hinterkopf; wir kommen im weiteren Verlauf noch darauf zurück.
Lehrgangsleiter der FN und deren Versicherungs“kenntnisse”
Es ist wie überall: Nur weil jemand viel erzählt, heißt es nicht, dass derjenige viel zu sagen hat. Zudem gilt auch immer: sobald es um das Thema Versicherungen geht und der Redeführer kein ausgewiesener Experte ist, kannst Du Deine Ohren getrost auf Durchzug stellen. In kaum einem anderem Sektor wird mehr Scheiße gelabert Unfug verbreitet als bei Versicherungen. Hören-Sagen ist jedoch nicht einmal im Ansatz mit Wissen gleichzusetzen…
Randnotiz: Mir wurde von Lehrgangsteilnehmern von Referenten berichtet, die Tipps gaben, wie man ungeliebte Einsteller schneller loswerden kann: Wenn diese eine Stute hätten und gerade in der Halle reiten würden, dann könne man ja mal einen Hengst in die Halle lassen. Oder wenn sie longieren würden, solle man ihnen doch einfach mal in den Weg reiten…
Was soll man davon halten, wenn solche Leute zeitgleich was über Versicherungen erzählen?
Die Wahrheit über die Haftung
Die eine große Wahrheit bzgl. der Haftung lautet: sie hängt immer von den jeweiligen Umständen ab. Augenscheinlich komplett gleiche Vorfälle können aufgrund völlig unsichtbarer Tatsachen zu einem völlig anderem Ergebnis führen.
Stark vereinfachtes Beispiel: Jemand fällt vom Pferd und wird verletzt. Haftet der Halter?
Zur Beantwortung der Frage muss muss geklärt werden: War das Pferd überhaupt “schuld”? Wenn ja, war es ein “tiertypisches Verhalten”, welches überhaupt erst eine Haftung auslösen würde? Ist es ein Privatpferd oder ein gewerblich genutztes? Wenn letzteres zutrifft: kann sich der Halter exkulpieren? Wenn ja, in warum und inwiefern? Warum ritt die geschädigte Person das Pferd überhaupt; in wessen Interesse lag das Reiten dieses Pferdes (vorrangig)? Welchen Einfluss nahm die geschädigte Person auf die Gesamtsituation und auf den Unfallhergang als solchen? Welchen Einfluss hatte sie auf die Schadenhöhe? Kommt ein Verschulden anderer Personen in Betracht?
Du siehst, die Antwort kann immer nur eine sein: “es kommt drauf an!”. Eine allgemeingültige Ableitung aus einem einzigen miterlebten Fall ist völlig unmöglich und verbietet sich. Dummerweise beherzigen dies nur die Klugen, denn sie sind sich ihrer Unwissenheit bewusst. Bei den anderen ist es umgekehrt.
Wenn Du Dich nun erwischt fühlst: Schwamm drüber. Du kannst es aber in der Zukunft besser machen.
Die Haftung des Berittführers bei privaten Ausritten
Alleine aufgrund Deiner Kenntnisse haftest Du nicht — schon gar nicht bei privaten Ausritten. Stell Dir mal vor, wie absurd das wäre: Du reitest aus, triffst unterwegs andere Reiter und Du schließt Dich ihnen spontan an. Jetzt fällt einer der anderen Reiter vom Pferd und ist verletzt — dafür sollst Du haften? Woher denn? Woraus soll die Haftung abgeleitet werden? Und warum?
Die Haftung des Berittführers bei gewerblichen Ausritten
Anders sieht es aus, wenn Du Ausritte gegen Entgelt organisierst und durchführst. Das hat aber immer noch nichts mit Deiner Qualifikation zu tun — die Haftung erwächst aus dem Vertragsverhältnis. Das würde sie auch dann, wenn Du gar keine entsprechende Qualifikation hättest.
Kurz: “Gefährlich” wird es dann, wenn Du einen solchen Ausritt gewerblich anbietest, dafür Geld kassierst und dann aufgrund Deines Verschuldens was passiert.
Beispiele:
- Du hast Anfänger dabei und wählst ein Gelände, dass nicht für Anfänger geeignet ist
- Du wählst die unpassenden Pferde aus (unerfahrener Reiter plus junges, nervöses oder im Gelände unsicheres Pferd)
- Du überforderst die Reiter im Gelände (langer und schneller Galopp bei Anfängern, Sprung über einen umgestürzten Baum, anstatt den Ritt abzubrechen und umzudrehen, usw., usf.)…
Deine Haftpflichtversicherung
Jetzt kommt der ganz große Witz:
Die Haftung ist doch gar nicht Dein Problem! Sie ist gar nicht “gefährlich”! Dafür hast Du doch eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Wie auch immer wir sie nennen mögen (Betriebs‑, Reitlehrer‑, Schulpferde- oder-wie-auch-immer-Haftpflichtversicherung): diese Versicherung ist für genau solche Fälle da! Dein Risiko wird ausgelagert, der Versicherer hält seine Rübe für Dich hin und alles ist gut!
Dass diese Versicherung korrekt gestaltet werden muss, versteht sich ja von selbst — aber dafür hast Du ja (D)einen Versicherungsmenschen. Nur wer auf ganz harte Schmerzen steht, klöppelt sich da was im Internet zusammen. Das kann dann natürlich ganz gewaltig weh tun, wenn im Schadenfall die Ablehnung auf den Tisch flattert. Aber dahingehend ist jeder seines eigenen Glücks Schmied.
Exkurs: Reiten ohne Reithelm verboten! Reiten ohne Helm nur auf eigene Gefahr!
Meine Lebensgefährtin hat den §11 Kurs gemacht. Wurde von der FN gehalten. Dort wurde gesagt, als Anlagenbetreiber muss man dafür sorgen, dass alle einen Helm tragen. Ansonsten könne man haftbar gemacht werden.
aus einer Mail eines ehem. Lehrgangsteilnehmers
Muss ich hierzu noch was sagen? Es gilt hier das Gleiche wie zuvor: Natürlich haftest Du deswegen nicht. Jeder Reiter ist für sich selbst verantwortlich — und Eltern für ihre Kinder. Du als Berittführer, Anlagenbetreiber, Reitlehrer, Trainer, Kursleiter oder was auch immer haftest deswegen nicht. Punkt!
Es gilt ebenso das Gleiche in Bezug auf Deine Versicherung: versucht man Dich am Wickel zu packen, hilft Dir Dein Versicherer nach altbekannter Methode: Prüfung der Lage, Abwehr unberechtigter Ansprüche und Bezahlen berechtigter Ansprüche.
Das zieht Dein Versicherer für Dich bis vors Gericht durch. Du musst dabei nichts machen! Du brauchst nicht einmal einen Anwalt — auch das regelt alles Dein Versicherer für Dich! Das gehört alles zu dessen vertraglich zugesicherter Dienstleistung!
So einfach ist das in Wirklichkeit!
Wenn Urteile zitiert werden
Gerne werden irgendwelche Schauergeschichten erzählt. Ja, es passieren Unfälle. Ja, ein Reitlehrer, Berittführer, etc., pp. kann haftbar gemacht werden. Ja, das kann ganz, ganz böse enden.
Gerne werden solche Dinge auch anhand echter Fälle demonstriert und es werden auch mal gerne Urteile zitiert. Sowas finde ich ja grundsätzlich toll!
Hierzu musst Du aber zwei Dinge wissen:
a) Wenn der Berittführer / Reitlehrer (etc., pp.) verurteilt wurde
Dann ist das nicht schlimm! Wenn er wirklich haftete, dann ist er — korrekt — zur Zahlung verpflichtet. Aber siehe oben: genau dann greift doch auch seine Versicherung! Es kann sogar gut sein, dass sein Versicherer die Sache vor Gericht ausgefochten hat, der Prozess verloren ging und die Haftung / die Pflicht zum Schadensersatz festgestellt wurde. Aber dann passiert doch nichts!
Diesen eigentlich simplen Gedankensprung bekommen ganz viele nicht auf die Kette. Sie trompeten dann das “böse Urteil” herum — übersehen dabei aber völlig, dass die Sache noch zu Ende gedacht bzw. hinterfragt werden muss.
War die verurteilte Person nicht (oder nicht richtig) versichert, ist sie natürlich fertig. Reine Logik.
Festzuhalten bleibt: nur weil da ein Urteil gefällt wurde, ist das noch lange nichts Schlimmes!
b) Wie ist mit solchen Urteilen umzugehen?
Im Bereich der Rechtsprechung kann man nicht immer von einem Einzelfall auf andere, ähnlich gelagerte Fälle schließen. Siehe obiges Beispiel mit der vom Pferd fallenden Person: selbst kleinste Nuancen können zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen! Daher sollte man Gerichtsentscheidungen immer nur als ganz grobe Richtlinie betrachten — keinesfalls darf man aus einem einzelnen Fall eine allgemeingültige Formel ableiten und diese dann bei einem Lehrgang als “die Wahrheit” präsentieren. Auch nicht BGH-Urteile. Sie stellen einen Leitsatz dar, haben aber keine gesetzgebende Wirkung!
Fazit
Die FN sollte Euch lieber dazu ermahnen, dass ihr Euch sauber und ordentlich versichert! Das wäre viel sinnvoller, als mit plumpen Geschwätz Panik zu verbreiten und Unwahrheiten unters Volk zu mischen.
Wo Du Dich gut versichern kannst? Keine Ahnung. Also da muss ich jetzt echt passen… So ein Versicherungsmakler, mit voll viel Ahnung von der Pferdewelt, sowas wäre ja mal voll super! Aber so einen muss man ja erst einmal finden… Oh. Was ist das denn hier? Hoppla… ;o)
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