Da denkt man jahrelang, die BLÖD wäre der Bodensatz des nicht-investigativen Journalismus — und dann kommt da mal eben so eine Wendy für Erwachsene um die Ecke und überholt das Schmierblatt eiskalt von rechts. Mit Hilfe eines “Reitsportexperten”.
Was ist passiert?
Inhaltsverzeichnis
Es wird über “Sanne” berichtet. Sanne hat (hatte?) eine Reitbeteiligung gefunden — Wallach “Cesar”. Feine Sache, schön für Sanne. Bei einem Ausritt tritt Cesar gegen ein geparktes Auto, den Schaden muss nun Sanne zahlen. So sagt es zumindest der Halters des Pferdes. Und auch der “Reitsportexperte” eines Versicherers.
What the f*ck?!?
Ja, richtig gelesen. Sanne wurde nach Strich und Faden verarscht. Das steht da zwar nicht, ist aber so.
Hier erst einmal der Bericht (zum Vergrößern klicken):
Setzen, 6!
Es gibt wenige Situationen, in denen ich sprachlos bin. Aber in diesem Fall war ich nicht nur nach dem Lesen des Artikels sprachlos, ich bin es auch jetzt noch. Es fällt mir ernsthaft schwer, Worte für das zu finden, was da steht. Ich möchte immer noch an einen flachen Aprilscherz glauben — aber es ist real.
Der Halters des Pferdes erzählt der armen Sanne also, das müsse sie nun zahlen, weil sie nicht in seiner Tierhalterhaftpflichtversicherung (im Folgenden “THV” abgekürzt) aufgeführt sei. So weit, so schwachsinnig. Gut, einem Laien kann man solchen Blödsinn ja noch verzeihen. Unverzeihlich ist jedoch, dass man ihr dies zuvor — angeblich — “mündlich zugesichert” habe.
Zwischenfazit: Der Halter des Pferdes “Cesar” ist also ein unehrenhaftes Arschloch, dass sich nicht an Absprachen hält und Vertragspartner ins Messer laufen lässt. Check!
Der Schwachsinn fängt aber gerade erst an, denn jetzt kommt er, der…
… der “Reitsportexperte”
Getreu dem Motto “Und wenn Du glaubst, blöder geht´s nicht mehr, dann kommt ein Experte daher” haut dieser mal so richtig einen raus.
Seine Aussagen:
- Reitbeteiligungen sind nicht automatisch über die THV mitversichert
- Reitbeteiligungen müssen (meist) namentlich aufgeführt werden
- Reitbeteiligungen sollten eine Reiterhaftpflicht abschließen
- Tröstlich: bei seinem Arbeitgeber sei dies alles nicht nötig, denn dort sei eine Reitbeteiligung “automatisch mitversichert”
Prof. Dr. se. Vierpfotenmakler diagnostiziert:
Das ist mindestens ne F72.8 nach ICD10 (was ist das?).
Gehen wir die Aussagen mal der Reihe nach durch:
1.: Doch, eine Reitbeteiligung ist automatisch mitversichert.
Immer. Ohne Ausnahme. Als Experte sollte man das wissen. Wo das steht? In den Allgemeinen Haftpflichtbedingungen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer. Beweise? Gerne doch, hier:
Von diesen allgemeinen Regelungen darf nicht zum Nachteil des Kunden abgewichen werden. Sanne war also die ganze Zeit über die THV des Halters mitversichert!
Fun fact: Sanne trifft hier aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal eine Schuld. Sie haftet demnach (sehr wahrscheinlich) gar nicht für den Vorfall — sondern der Halter selbst! Warum? Weil es sein Pferd war, dass hier tiertypisches Verhalten zeigte (Scheuen / Erschrecken) und mal eben so ein Auto vergriesgnaddelt hat!
2.: Reitbeteiligungen müssen nicht namentlich aufgeführt werden.
Beweis: siehe oben (Link zu den AHB THV des GdV). Dort steht nichts davon, dass das dort Geschriebene vorbehaltlich einer namentlichen Nennung zutreffen würde. Eine RB ( = nicht gewerbsmäßig tätiger Tierhüter) ist einfach mit drin, [Punkt].
Der Irrglaube, eine RB müsse “namentlich benannt werden” kommt daher, dass dies einige Versicherer wünschen (nicht verlangen!) und dies zum Teil auch sehr offensiv.
Warum sie das machen? Weil sie damit nichts weiter als eigene Ziele verfolgen ( = weniger Leistung erbringen müssen). Manch ein Versicherer verführt seine Versicherten sogar dazu, mit den RBn völlig ohne Grund “Haftungsauschluss-Vereinbarungen” zu unterzeichnen. Er setzt seine Kunden somit einem erhöhten Risiko aus. Denn dadurch ist die RB fein raus, wenn sie mal eben das Pferd oder Teile des Equipments schrottet. Na super! Wird den Kunden dies erzählt? Neee, natürlich nicht. Von welchem Versicherer ich spreche? Das sage ich natürlich nicht. Es könnte aber sein, dass sein Logo grün ist und der Versicherer zugleich in Reiter-Kreisen sehr, sehr, seeehr bekannt ist.
3.: Sanne hätte eine Reiterhaftpflicht abschließen sollen.
Richtig! Recht hat er, der Herr Experte! Der Abschluss einer “Reiterhaftpflicht” ist auch total easy. Man haut sich dazu einfach ein paar mal mit einem Hammer auf den Kopf, torkelt dann ins Takkatukka-Land, besiegt dort Pipi Langstrumpf im Armdrücken und geht dann zu einem als Kaugummi-Automaten getarnten Policendrucker, der gegen Einwurf von 15 Schokoladen-Goldtalern eine solche Police mit dem Blut von Chuck Norris ausdruckt. Kurz: nichts einfacher als das!
Mal ernsthaft: Was zum Henker muss man rauchen, um solch eine — pardon — Scheiße von sich zu geben?!? Reiterhaftpflicht? Wie bescheuert ist das denn bitte, Herr “Experte”?
4.: Der finale Hammer: Bei seinem Versicherer sei “eine RB einfach so mitversichert”.
Leser meines Blogs könnten jetzt etwas Böses ahnen — und ja, es trifft zu: dieser Versicherer steht bei mir aufgrund absolut unklarer / unsauberer Regelungen hinsichtlich der RB tatsächlich auf der knallroten Liste!!
Die Kurzfassung: “die RB ist mitversichert” bedeutet in Wahrheit:
a) ihre Haftung als Tierhüter ( = Schäden an Dritten) ist mitversichert
b) Schäden an der RB sind dagegen ausgeschlossen (siehe §7 AHB des GdV): Auszug AHB
c) Schäden an der RB sind nur dann wieder mitversichert, wenn dies weiter hinten in den Bedingungen (korrekt: in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen, kurz “BBR”) wieder eingeschlossen wurde.
Siehe hierzu mein Blog-Beitrag: Die mitversicherte Reitbeteiligung — eine böse Falle?
Es wird auch hier der Beweis gewünscht, dass der Versicherer, für den der Herr “Reitsportexperte” tätig ist, die Sache nicht sauber regelt? Klar, kein Ding. Hier ist er: Auszug aus den Bedingungen des besagten Versicherers
Die darin getroffenen Aussagen sind unklar und viel zu schwammig. Eine RB erfolgt z. B. fast nie unentgeltlich. Nahezu immer erfolgt eine Gegenleistung, also ein “Entgelt”. Entgelt bedeutet Abgeltung / Gegenleistung und hat nichts mit einem Geldfluss zu tun!
Kurz: Nein, dort würde ich niemanden versichern. Man sieht ja, welche “Experten” sich dort rum treiben und was die so von sich geben…
Eine kurze Recherche ergibt…
…dass der besagte “Reitsportexperte” im Übrigen nichts weiter als ein Maklerbetreuer des benannten Versicherers ist. Bezüglich der Schreiberlinge bleiben folgende Fragen offen: Wo ist hier der Anspruch an sich selbst? Hat keine der schreibenden Personen auch nur im Ansatz Nachweise für die Aussagen gefordert? Sind sie sich ihrer Verantwortung nicht bewusst?
Sanne ist das arme Opfer
Für Sanne bleibt nur der ernüchternde Abschluss-Satz “Doch das eigene Pferd musste wieder etwas länger warten.” Wenn das alles so stimmt, dann handelt es sich hier um eine regelrechte Tragödie.
Denn:
a) Sanne wäre — siehe oben — über die THV des Halters versichert gewesen
b) auch über ihre Privathaftpflicht hätte sie Deckung bekommen können.
Sanne wurde — wenn man dem Bericht komplett glauben darf — das Opfer von Dilettanten, Dummschwätzern und einem wortbrüchigen Arschloch. Sollte sie ihre Privathaftpflicht im Alleingang bei irgendeinem Vergleichsportal abgeschlossen haben, dann hielte sich mein Mitleid in Grenzen. Hatte sie einen Berater vor Ort, dann hätte er ihr eigentlich sagen müssen, dass es da noch eine Möglichkeit gäbe.
Falls Du den Fall (und Sanne) kennen solltest, dann gebe ihr bitte diesen Blog-Beitrag zu lesen! Vielleicht kann man ja mit viel gutem Willen ihres Privathaftpflicht-Versicherers nachträglich noch was machen. Ich würde ihr dabei unentgeltlich helfen. Einfach als Ausgleich für den vielen Bullshit, der ihr erzählt wurde!
Was lernen wir daraus?
Ich unternehme hier den Versuch, meinem Motto “Allem Schlechten wohnt auch was Gutes inne” treu zu bleiben. Ein möglicher Ansatz wäre, dass Du über meine Worte lachen musstest. Wenn dem so ist, dann hat sich meine These wohl bewahrheitet.
Was wir aber alle (auch ich) mitnehmen sollten: Man sollte niemals nie irgendwelche Berichte einfach ungefiltert und ohne Hinterfragen übernehmen. In dem Artikel wurde keine einzige Rechtsgrundlage benannt, keine Quellenangabe, nichts. So etwas sollte immer stutzig machen.
Sollte Sanne über diesen Blog stolpern / von jemanden (vielleicht sogar von Dir?) darauf aufmerksam gemacht werden, dann wäre das der Hammer.
Hier also meine Bitte an Dich: Teile diesen Beitrag, vielleicht können wir damit zusammen was Gutes bewirken! :o)
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