Es ist wieder so weit. Kaum wird die GOT ein wenig nach oben angepasst, kommen die geldgeilen Versicherer aus den Löchern gekrochen und knallen uns armen Pferdehaltern eine Beitragsexplosion allerfeinster Güteklasse um die Ohren: die OP-Versicherungen werden deutlich teurer! Das machen die sogar dann, wenn man überhaupt niemals nie einen Schaden hatte! Aber es gibt Abhilfe: lies hier, was Du tun solltest.
Die gute Nachricht vorweg — Du musst Dir das nicht gefallen lassen!
Ja, Du kannst Dich wehren! Als erstes solltest Du Dir einen neuen Versicherer suchen. Es gibt inzwischen ja genug Anbieter und nicht nur den Platzhirsch aus der Lüneburger Heide. Als zweites steht Dir im Regelfall ein Sonderkündigungsrecht zu — siehe § 40 VVG. Also kannst Du dem Versicherer schön einen auswischen: erst schnell was Neues suchen (vielleicht sogar viel günstiger!) und dann — Bääääm! — ne Kündigung vor den Latz knallen!
Ganz mies: Beitragserhöhung, obwohl es gar keinen Schaden gab!
Hier eine Aussage einer Betroffenen (aus einer Diskussion in einer Facebook-Gruppe):
Bei mir war es vor zwei Jahren so, dass die uelzener den 10 Jahresvertrag hat auslaufen lassen bzw. dann gekündigt hat. Und mir einen viel teureren Tarif angeboten hat. Und das bei 10 Jahren Schadenfreiheit. Nie was gewesen. Ich war so sauer, dass ich alles andere auch gekündigt habe und zur r&v gewechselt bin. Finde so geht man nicht einfach mit langjährigen treuen Kunden um.
Unfassbar! Die Versicherer erlauben sich Frechheiten mit uns, die gehen auf keine Kuhhaut! Aber dafür bin ja (auch) ich da und räume jetzt mal richtig auf. So geht es doch echt nicht!
So kannst Du Dich wehren
SCHRITT 1:
Als erstes haust Du ganz schnell eine Kündigung raus. Nur so verhinderst Du, dass dahingehend Fristen versäumt werden. Wir wissen ja: sobald ein Versicherer eine Chance sieht, unsereins übern Löffel zu ziehen, dann macht er es auch. Da muss man es denen nicht noch durch Formfehler und / oder Fristversäumnisse leicht machen. Also: Kündigung abschicken!
Wichtig: Dabei bitte unbedingt darauf hinweisen, dass die Kündigung “fristgerecht” erfolgt. Ebenso auch gleich die einschlägigen Paragraphen aufzählen: § 40 VVG, § 962 BGB und als Krönung gleich noch den § 1300 BGB hinterher schieben, damit die gleich wissen, dass sie sich nicht alles erlauben können und Dich nicht noch belästigen.
Hier ein Formulierungsvorschlag für eine Kündigung:
Sehr geehrte versichernde Person:innen,
hiermit kündige ich den o. g. Vertrag fristgerecht zum dd.mm.yyyy, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgrund ihrer unerhörten BAP. Ich berufe mich hierbei auf die mir zustehenden Rechte gem. § 40 VVG. Ich weise vorsorglich darauf hin, dass ich auf meiner Kündigung beharre und dieses Ziel hart verfolgen werde — siehe § 962 BGB, welcher mir dies ausdrücklich zuspricht. Ich wünsche auch keine Penetration Ihrerseits und verweise für den Fall von Zuwiderhandlung vorsorglich auf § 1300 BGB!
SCHRITT 2:
Als zweites schaust Du jetzt in aller Ruhe nach einem neuen Anbieter um. Meistens findet sich auch was richtig günstiges dabei! Wie man den Werbeaussagen manch eines Anbieters entnehmen kann, sind deren Angebote nicht nur deutlich günstiger als die der anderen, sondern nebenbei auch noch das beste Angebot überhaupt — z. B. weil es bei der Abrechnung keine Begrenzung der GOT-Sätze gibt. Voll fett!
*muhahaha* Die Folgen Deines Feldzuges
So, jetzt hast Du es den Klappspaten erst einmal so richtig gegeben…
Ach ne, das heißt ja anders: Ins Knie geschossen hast Du. Also Dir selbst.
Denn alles bis hier hin Geschriebene habe ich bewusst auf dem Niveau verfasst, welches Dir häufig in den sozialen Medien entgegenspringt: vom Intellekt her knapp über Seegurke und fachlich fundiert wie ein feuchter Fuzzi in ne Steckdose.
Warum die Beitragserhöhung sinnvoll sein kann — jetzt einmal ernsthaft
1.: Versicherungen = Mathematik. Versicherung gleich Topf. Vorne Geld rein, hinten Geld raus. Ganz einfaches Prinzip. Geht hinten mehr raus als vorne rein kommt, ist es kacke, weil Topf = leer und alle gucken doof.
2.: Erst kündigen dann neu abschließen = brutal doof. Begründung: Warum überhaupt kündigen? Warst Du bisher zufrieden? Hat Dich Dein Versicherungsmensch gut beraten / Dir einen passenden Tarif rausgesucht? JA SUPER! Und das alles ist nun egal, weil das Ding ein paar popelige Kröten teurer wird? Echt jetzt?
Wenn es wirklich sein muss, dann schau doch bitte erst nach einem neuen geeigneten Anbieter / Tarif, durchlaufe die dort nötige Gesundheitsprüfung und kündige den Altvertrag erst nach schriftlicher Annahmeerklärung / Policierung des neuen Anbieters!
Bedenke bitte: Dein Pferd ist nicht jünger geworden, die Bedingungen enthalten fiese Ausschlussklauseln für Vorerkrankungen (mehr dazu unten) und die Fristen für die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (Kündigung, Rücktritt, Anfechtung, siehe §§ 19 ff VVG) beginnen von vorne zu laufen!
3.: Das neue, günstige / günstigere Angebot. Wer so etwas glaubt, hatte in der Schule wahrscheinlich nur Singen und Klatschen. Wie soll das gehen? Günstiger bedeutet nahezu immer, dass es irgendwo eine eingebaute Engstelle im Leistungsfluss gibt bzw. geben muss!
Es kann z. B. keinen Anbieter geben, der auf eine Begrenzung auf den 2- oder 3‑fachen Satz der GOT verzichtet und zeitgleich auch noch einer der billigsten ist. Das. Geht. Nicht! Genau ein solcher Anbieter wird seit einiger Zeit in den gängigen Pferdeforen und Facebook-Gruppen derzeit ganz gut gehypt…
Die bittere Wahrheit: Wer Dir das empfiehlt (am besten noch unter Verweis darauf, dass er / sie das Ganze “richtig gut verglichen habe”), hat bewiesen, dass er / sie nichts vergleichen kann. Zumindest keine Bedingungswerke von Versicherungen. Würde ich als Makler den gleichen Anbieter verkaufen, hätte ich ganz fix ein massives Haftungsproblem…
4.: Die zocken uns doch nur ab! Nein, tun sie nicht. Dass Versicherer Gewinn erwirtschaften wollen / müssen — hey, das ist doch logisch, oder? Ich erinnere an den obigen Topf und komme somit ganz schnell zu:
5.: “Ich hatte nie einen Schaden, habe immer umsonst eingezahlt!” = maximal doofer Spruch. Man kauft sich mit einer Versicherung Sicherheit ein — mit sofortiger Wirkung! Wer sagt, er habe “x Jahre umsonst eingezahlt”, sollte vielleicht noch einmal (richtig) nachdenken. Hilfestellung: Natürlich hätte sich eine solche Person die Beiträge sparen können — hätte dann aber stets mehrere zehntausend Euro auf der hohen Kante halten müssen, um jederzeit eine drohende OP bezahlen zu können. Tschüss Malle-Urlaub, Tschüss voll krasse 3er Bä-äM-Wä und Tschüss sorgenfreier Schlaf!
Noch ein Blick ins reale Leben
Noch ein Kommentar aus den sozialen Medien
Ich wurde letztes Jahr von der Uelzener einfach gekündigt und habe denselben Vertrag neu angeboten bekommen für 100€ mehr/Jahr…. Auch aus dem Nichts! Haben 4 Pferde dort versichert und nur der Vertrag von einem wurde „angepasst“. Dabei ist das weder das Krankengeld Pferd noch der älteste Vertrag… bisschen willkürlich
Ich kann gut verstehen, dass man sich über so etwas ärgert. Aber auch hier bitte wieder an den Topf denken! Dieser große Topf wird von ganz vielen Leuten gefüllt, die alle das Gleiche wollen: ihre Sorgen bzgl. horrender Kosten einer OP des Pferdes abgeben und auf die Schultern einer Gemeinschaft verteilen. Alle Beteiligten können dadurch ruhig schlafen, denn sie wissen, dass alle zusammen halten. Damit sich keiner kümmern muss, wird ein Verwalter eingesetzt, der sich seine Verwaltungskosten aus dem gleichen Topf nehmen darf — und sogar einen kleinen Gewinn. Dieser Verwalter nennt sich “Versicherer”.
Merkt der Verwalter, dass der Topf immer leerer wird, weil an dem einen Ende immer mehr rausgenommen wird, dann muss er reagieren: er muss die Preise für alle erhöhen, weil das System sonst irgendwann am Ende wäre.
Warum werden manche Verträge angepasst, andere aber nicht?
Dabei kann es zu komischen Ergebnissen kommen, wie sie oben geschildert wurden. Die Lösung lautet hier: der Verwalter kann sich die Ergebnisse einzelner Tariflinien und / oder — generationen anschauen und dann einzelne davon anpassen. So kann es passieren, dass ein Versicherter mehrere Verträge hat, aber nur einzelne davon angepasst werden (müssen). Es kann aber auch an rechtlichen Gründen liegen: Wenn jemand einen 3‑Jahres-Vertrag hat, dann kann der Versicherer — je nach Wortlaut seiner AVB — darin auch eine Preisgarantie ausgesprochen haben. Das ist nur ein Ausschnitt möglicher Gründe, der Vereinfachung halber belasse ich es aber dabei.
Vorsicht bei Umdeckungen!
Erscheint Dir ein Versichererwechsel (aus welchem Grund auch immer) sinnvoll, dann beachte bitte nicht nur größtmögliche Sorgfalt bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen, sondern auch die Tatsache, dass die meisten Versicherer Vorerkrankungen in ihren Bedingungswerken rigoros ausschließen. Sie verwenden dabei häufig sinngemäß folgende Formulierung:
“…ausgeschlossen sind Kosten für OPs, die auf Gesundheitsstörungen beruhen, die bereits bei Vertragsabschluss bestanden.”
Das “Gemeine” an solchen Formulierungen ist, dass es nicht darauf ankommt, ob Dir diese Erkrankung überhaupt bekannt war. Muss Dein Pferd mehrere Monate (oder auch Jahre) nach Vertragsabschluss operiert werden und es kommt dabei heraus, dass der Grund für die OP bereits bei Vertragsabschluss bestanden haben muss, dann wird es ganz blöde… Ein fachlich versierter Versicherungsmensch lotst Dich hier aber sicher an solchen Stolpersteinen vorbei und wird Dir ggfs. auch raten, einfach alles so zu lassen, wie es ist.
Fazit
Es ist immer unangenehm, aber es hat auch immer seine Gründe, warum angepasst werden muss. Wer sich ein wenig Mühe macht, der kann dies auch immer aus den Briefen herauslesen, welche die Versicherer dazu versenden. Die verwenden dabei übrigens kein “Beamtendeutsch”, sondern ziemlich normales Deutsch. Aber das verstehen viele nicht. Ist aber auch OK, denn ein wenig sperrig sind die Texte ja meist schon. Anstatt zum eigenen Versicherungsmenschen zu gehen (falls man so clever war, sich einen zuzulegen) und es sich dort einmal kurz erklären zu lassen, wird lieber auf “die blöden Abzocker” geschimpft, die wieder irgendwas “Kleingedrucktes” geschickt haben.
Lass Dich davon bitte nicht anstecken. Handle vor allem nicht voreilig, indem Du einfach kündigst. Das kann am Ende unangenehme Folgen haben.
Tipp am Rande: Vor dummen Entscheidungen kann Dich (D)ein eigener Berater in Versicherungsdingen schützen. Wer alleine dran fummelt, darf am Ende nicht jammern wenn es schief läuft. Einen Berater kann man dagegen in die Haftung nehmen, wenn er es verbockt.
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Flieger Manfred meint
Dennis wirklich toll gemacht! 👍… Und das von einem Kollegen! Glg
Dennis Keller - Vierpfotenmakler meint
Danke Dir! :o)